SV Curslack-Neuengamme: Babuschkin – Kleine, Spiewak, Schalitz, Keklikci – Radic (60. Wilhelm), Papke – Beldzik, Degener (46. Bannasch) – Landau, Hammel (68. N. Hoffmann) SC Condor: Kleinschmidt – Lüdemann, Hamdan, Anders, Krohn, Künkel – Kamalow (77. Coskun), Daudert (86. Kruk) – Mellmann, Theis – Flores Tore: 1:0 Bannasch (87., FE) Rote Karte: Kleinschmidt (85., SR-Beleidigung) Schiedsrichter: Michael Ehrenfort (TuRa Harksheide): Der „Retter“ (Facharzt für Anästhesie in St. Georg) und „Schutzengel“ (BILD-Schlagzeile vom 6. April) erwies sich nicht gerade als „Glücksbringer“ für Condor, zeigte aber über 85 Minuten eine einwandfreie Leistung. Der Elfmeter war strittig, die Rote Karte zu hart. Beste Spieler: Babuschkin, Kleine – Kamalow, Hamdan, Flores, Theis Zuschauer: 112
Beide Teams waren zuletzt sehr erfolgreich unterwegs, holten aus ihren letzten sechs Partien 14 (CN) bzw. 11 Punkte (Condor). Die Curslacker blieben dabei sogar ungeschlagen (4-2-0) und wollten heute ihre tolle Serie ausbauen. Doch der letzte Heimsieg gegen die Raubvögel lag immerhin schon vier Jahre zurück (2:1 am 5. Mai 2012 - http://www.hafo.de/news/fullnews.php?id=4816- siehe auch Statistik am Ende des Berichtes).
Im Strafgesetzbuch gibt es bekanntlich den Tatbestand der fahrlässigen Tötung. Im Fußball gibt es dagegen so etwas wie das fahrlässige „Am-Leben-Lassen“ eines Gegners. So ähnlich (oder noch krasser) war es heute. Nach dem Schlusspfiff war es jedem Curslacker fast schon „peinlich“, gewonnen zu haben. Aber SCC-Coach Christian Woike stellte klar: „Für einen Sieg in der Oberliga muss sich niemand entschuldigen“. Dabei war es geradezu grotesk, dass die Gäste mit leeren Händen dastanden. Reihenweise ließen Mike Theis, Carlos Flores & Co. beste Gelegenheiten aus, trafen dreimal (!) die Latte und standen mehrfach alleine vorm Tor – aber „Fußball ist ein Ergebnissport“, wie Woike schmerzhaft feststellte, „dabei hat meine Mannschaft heute zu 85% alles richtig gemacht und richtig gut gespielt“.
Die Gäste, nur mit 12 gesunden Spielern angereist, agierten mit einer flexiblen Fünferkette, aus der Julian Künkel immer bei eigenem Ballbesitz ins Mittelfeld vorrückte. „Damit sind wir gar nicht klargekommen“, meinte Henke, „obwohl wir vorher darüber gesprochen haben“. Bis auf eine Chance von Mike Beldzik, der freistehend aus 12 Metern quer legte, statt selbst den Abschluss zu suchen (6.), fanden die Hausherren im Offensivspiel in der Tat quasi nicht statt, konnten sich gegen die kompakte SCC-Deckung nie durchsetzen. Ganz anders die Raubvögel, die sich mit einer glänzenden Vorstellung (taktisch wie spielerisch) serienweise Hochkaräter erspielten.
Den Anfang des „Festivals der vergebenen Chancen“ machte Carlos Flores mit einer Direktabnahme nach schnellem Lüdemann-Einwurf (19.), weiter ging es mit einem Knaller von Kevin Mellmann, den Keeper Babuschkin (Note 1 mit Sternchen) über die Latte lenkte (29.). Nach einer Krohn-Ecke hielt der Torsteher binnen Sekunden gleich zweifach sensationell: Erst einen Anders-Kopfball, dann den Nachschuss von Flores (35.). Das 0:0 zur Pause war für die Hausherren wirklich mehr als schmeichelhaft. Dass die besten und dicksten Chancen erst noch kommen sollten, konnte zu dem Zeitpunkt noch niemand ahnen.
Henke reagierte in der Pause, brachte Jan Bannasch (trainiert nicht mehr mit, da beruflich die Woche über in München) und stellte um auf 4-1-4-1. „Das sollte mehr Stabilität bringen“, so Henke, „aber es wurde nur noch schlimmer“. Denn jetzt legte Condor mal so richtig los:
Ecke Krohn – Lüdemann an die Latte (53., siehe Foto)
Lüdemann (l.) hämmert das Leder aus kurzer Distanz ans Quergestänge. Foto: Hanno Bode
Theis quer auf Kamalow – Babuschkin mit einem Reflex (63.)
Theis aus 20 Metern über den zu weit vor seinem Tor postierten Keeper – an die Latte (66., siehe Foto)
Fertig machen zum Jubeln…aber auch dieser Ball von Theis (l.) knallt nur an die Latte. Foto: Hanno Bode
Mellmann ebenfalls aus gut 20 Metern – wieder satt an die Latte (72.).
Theis aus 12 Metern – Babuschkin ist zur Stelle (78.)
Coskun freistehend aus 14 Metern – der Torwart hält (79.)
„Ich fahr‘ gleich nach Hause“, schimpfte Woike ob dieses Chancenwuchers – wohlwissend, wie so ein Spiel dann enden kann. Und genau so kam es dann auch. Nach einem Patzer von Anders „musste“ Lüdemann den durchbrechenden Witalij Wilhelm umgrätschen. Während die Gäste Stein und Bein schworen, dass das Foul außerhalb des Strafraums war, wollte Henke erkannt haben: „Das war ganz klar im Sechzehner“. So sah es auch Schiri Ehrenfort und pfiff Elfmeter. Verständlicher Frust machte sich breit und Sascha Kleinschmidt musste für ein „an die Stirn tippen“ (siehe Foto) den Platz verlassen. Eine sehr harte Entscheidung, da verbal nichts weiter vorgefallen war.
Keeper Kleinschmidt zeigt Schiri Ehrenfort in der Erregung nach dem Elfmeterpfiff den Vogel – und muss mit Rot runter. Foto: Hanno Bode
Bannasch zeigte sich von dem ganzen Trubel unbeeindruckt, schickte Condors Ersatzkeeper Kruk in die falsche Ecke und verwandelte souverän zum 1:0-Sieg:
Ersatz-Torwart Benjamin Kruk hat keine Chance und kassiert ohne eine Ballberührung das 0:1. Foto: Hanno Bode
„So ein Spiel gewinnst Du nur, wenn Du einen Lauf hast. Vor ein paar Wochen hätten wir garantiert noch sang- und klanglos verloren“, freute sich Henke über die Fortsetzung der tollen Serie (nun 17 Punkte aus 7 Partien), war dabei aber keinesfalls schadenfreudig, sondern fühlte glaubhaft ehrlich mit den Gästen mit (siehe „Stimmen“). Für Woike natürlich kein echter Trost, doch nach dem ersten Bierchen im Anschluss an die Pressekonferenz war er schon wieder zu ein paar Späßen mit Henke aufgelegt. Man mag sich eben. So muss Fußball sein!
Stimmen:
Christian Woike (Trainer SC Condor): Das Ergebnis ist eine Farce. Wir haben ein absolut hervorragendes Auswärtsspiel gemacht. In der zweiten Halbzeit war es ein Spiel auf ein Tor, mit sehr sehr vielen herausgespielten Torchancen. Wir waren sehr gut gestaffelt und haben keine Konterchancen zugelassen. Nach dem einzigen individuellen Fehler des gesamten Spiels werden wir dann am Ende mit so einer Aktion bestraft. Mit der Leistung meiner Mannschaft bin ich sehr zufrieden – mit dem Ergebnis natürlich überhaupt nicht. So ist das eben im Fußball. Lieber Scheiße spielen und gewinnen…
Torsten Henke (Trainer SV Curslack-Neuengamme): Meine beiden Kollegen Christian Woike und Matthias Bub brauchen bestimmt gleich erstmal ein Kaltgetränk. Ich kann mich in 14 Jahren meiner Tätigkeit nicht daran erinnern, dass wir ein Spiel so glücklich wie heute gewonnen haben. Wir waren schon in der ersten Halbzeit nicht gut und trotz Systemumstellung auf 4-1-4-1 wurde es in der zweiten Hälfte noch schlechter. Condor war die eindeutig bessere Mannschaft, dreimal ist der Ball gegen die Latte geknallt und mehrfach hat Babuschkin überragend gehalten. Wir waren heute einfach müde. Aber als der Ball das dritte Mal gegen die Latte klatschte und es nach 80 Minuten immer noch 0:0 stand, wusste ich, dass wir nochmal eine Chance kriegen. Eigentlich habe ich immer nur gehofft, dass der Schiedsrichter bald abpfeift, aber dann gewinnen wir sogar noch. So ist Fußball. Ich kann total nachvollziehen, wie bitter sich das für Condor anfühlen muss.
Punktspielstatistik (seit 1945) aus Sicht des Gastgebers: 32 Spiele: 9 Siege – 8 Remis – 15 Niederlagen, 41:62 Tore
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