25.11.2016 Landesliga Hansa: Uli Schulz ruft den Abstiegskampf aus von Mirko Schneider
vs.
Hamm United FC – Meiendorfer SV 1:2 (0:1)
Hamm United FC: Graudenz – R. Asante, Weber, Harrsen, Ahmadi – Suntic, Meier – Qayumi, Mahrt, Varela Monteiro – Ludin Meiendorfer SV: Joost – Rosseburg, Hoffmann, Oshoffa, Goncalves – Hercog, Kayahan – Celik, Alekseev – Kubista (75. Lacroce), Blum Tore: 0:1 Blum (20. Vorarbeit Rosseburg), 1:1 Varela Monteiro (53., ohne Vorarbeit), 1:2 Kubista (54., ohne Vorarbeit) Rot: Varela Monteiro (60., Hamm United, Bedrohung des Gegenspielers) Gelb-Rot: Celik (76., Meiendorf, Foul/Unsportlichkeit) Schiedsrichter: Florian Henseke (UH Adler): pfiff eine Stunde gut. Verlor ab dem ersten Platzverweis, dessen Korrektheit aus 60 Metern Entfernung nicht zu bewerten war, zunehmend die Kontrolle über die Partie. Der Platzverweis für Celik roch nach einer Konzessionsentscheidung. Verweigerte Hamm United zudem einen glasklaren Foulelfmeter (80., Goncalves an Asante), den mindestens sein Assistent hätte anzeigen müssen. Korrekt allerdings, kurz zuvor nicht auf Notbremse zu entscheiden, als Ludin am Sechzehner zu Fall kam, der Meiendorfer Abwehrspieler jedoch klar den Ball traf (77.). Beste Spieler: Graudenz (trotz der Gegentore) – Hercog, Rosseburg, Kayahan, Hoffmann Zuschauer: 19
Um 19.21 Uhr resignierte der freundliche Kassierer an der Snitgerreihe. „Wieder kein zahlender Zuschauer“, sagte er beim Anblick meines Presseausweises enttäuscht und reichte mir höflich die Aufstellung. Fast hätte ich ihn in Arm nehmen wollen. Ein kalter Spätnovemberabend an der nebligen, ungeliebten Snitgerreihe. Beinahe unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Dieses Bild vor dem Anpfiff, es war einfach nur traurig anzusehen. Die bittere Dimension dessen, was die „Geächteten“ danach ihren wenigen Anhängern auf dem Feld demonstrierten, ließ die Traurigkeit des Mannes am Eingang über die Minuskulisse jedoch wie eine Petitesse erscheinen.
Der Spielberichtsbogen behauptete glatt, beide Teams würden in der Landesliga kicken. Der Meiendorfer SV rechtfertigte diese Feststellung. Hamm United hingegen präsentierte sich zu keinem Zeitpunkt ligatauglich. So hoffnungslos unterlegen und hilflos wirkte das Team der St., Pauli-affinen und nicht anwesenden Hammer Fanschar selten. Gegen gewissermaßen unpolitisch agierende Gäste. In Zeiten, in denen die Ränder in der öffentlichen Debatte um gesellschaftliche Themen immer stärker werden, setzte der MSV auf eine starke Mitte. Ohne von Gegenspielern irgendwie ernsthaft behelligt zu werden, wurde immer wieder der tiefe Ball durchs Zentrum auf die Offensivspieler gespielt. Und ehrgeizig, wie ich bin, habe ich mir tatsächlich vorgenommen, in diesem Artikel alle Meiendorfer Tormöglichkeiten dieser Partie aufzuzählen. Also müssen Sie jetzt etwas mitspielen, liebe Leser, sonst sprengt dieser Bericht jeden Rahmen. Merken Sie sich also bitte folgendes Muster für die nun folgenden Meiendorfer Chancen: Spieler 1 befindet sich nach ein paar guten Pässen circa 10-30 Meter in der gegnerischen Hälfte hinter der Mittellinie, Spieler 2 startet zentral durch, erhält im richtigen Moment das Zuspiel und steht in guter Position vor dem Hammer Tor (siehe Fotos). Muster gemerkt? Also gut, dann mal die erfolglosen MSV-Chancen der ersten halben Stunde im Schnelldurchlauf: Marcin Hercog auf Hamza Kayahan – Samuel Graudenz hält (7.). Osman Celik auf Dennis Kubista – Graudenz hält (21.). Celik auf Andrej Blum – Graudenz hält (25.). Kayahan auf Blum – Graudenz hält, Nachschuss Kubista, Sandjar Ahmadi rettet auf der Linie (29.). Blum per Doppelpass auf Hercog – Dropkick daneben (31.). Zusätzlich ein Freistoß von Hercog aus 20 Metern – knapp daneben (23.).
Die Meiendorfer Hamza Kayahan (oben) und Osman Celik (unten) scheitern an Hamms Torwart Samuel Graudenz. Fotos: Hanno Bode
Witzig: Ausgerechnet der Treffer zum 1:0 für die Gäste – mit der zweiten der insgesamt sieben Topchancen in den ersten dreißig Minuten – kam anders zustande. Rechtsverteidiger Max Rosseburg, dessen Ballbehandlung einfach nur erste Sahne war, zog bei einem Solo über 40 Meter mehr und mehr nach innen, vernaschte dabei sechs (!) Gegenspieler und blieb erst am Sechzehner hängen. Den Abpraller knallte Blum über den etwas unglücklich zu weit vorm Tor postierten Graudenz ins Netz (20.).
Zweimal trafen die Gäste. Hier der Jubel nach dem 1:0. Foto: Hanno Bode
Der erste Hammer Torschuss war übrigens in der 35. Minute zu notieren. Aus gut 30 Metern knallte Suntic verzweifelt drüber. Fünf Minuten später gar eine echte Chance für die Gastgeber. Freistoß Suntic nahe des rechten Strafraumecks und Daniel Weber stand in der Mitte plötzlich völlig frei vor dem Tor – und köpfte aus sechs Metern daneben.
Nach dem Wechsel schien zunächst alles so weiterzulaufen. Rosseburg und Kubista spielten mit Hamms Abwehr Katz und Maus, doch im Anschluss an einen doppelten Doppelpass schoss Kubista Graudenz den Ball in die Arme (47.).
Und dann kam der Moment, dem das Potenzial innewohnte, den MSV für seine Schülermannschafts-Chancenverwertung zu bestrafen. Hamm kombinierte über links, der Ball kam zum heute indisponierten Chris Mahrt, ein MSV-Spieler spitzelte ihn Richtung Tor. Auf einmal war Leonel Varela Monteiro frei durch und lupfte die Kugel wunderhübsch über den herausstürzenden Thorben Joost zum 1:1 (53.) ins Netz. `Was der kann, kann ich auch`, dachte sich da wohl Meiendorfs Kubista – und überlupfte im Gegenzug gleich mal aus 20 Metern die Hammer Abwehr zum 2:1 für den MSV (54.). Blum hatte zuvor Maxim Alekseev zu steil geschickt, Graudenz den Ball außerhalb des Sechzehners unzureichend nach vorne geklärt.
Der alte Abstand war wieder hergestellt. Nun ging es kurz weiter wie bisher. Das Muster haben Sie noch drauf? Alles klar! Marcel Hoffmann auf Celik – umspielt Graudenz und schießt neben das leere Tor (55.). Kayahan auf Celik – Graudenz hält (57.).
Unterbrochen wurde das muntere Torchancenvergeben, welches die Meiendorfer Trainer Fatih Ergün und Baris Saglam mit einer schier unglaublich bewundernswerten Selbstbeherrschung und positiven Ansprachen an ihre Spieler ertrugen, durch eine Rudelbildung nach einem Foul von Celik. Der sah Gelb, Hamms Torschütze Varela Monteiro Rot (60.). Deutlich hörbare Begründung des Schiedsrichters an Monteiro: „Sie bedrohen ihren Gegenspieler.“ Wie genau er dies im Rudel getan hatte, war in der Rudelbildung zuvor nicht zu erkennen gewesen.
Ohne Umschweife eindeutig zu sehen war dafür, dass Hamm United den Meiendorfern weiterhin nur zuschaute. Weitere Beispiele? Bitteschön! Kayahan auf Kubista – daneben (62.). Nochmal Kayahan auf Kubista – Graudenz hält (72.).
Es folgten zwei merkwürdige Schiedsrichterentscheidungen. Meiendorf erhielt einen Freistoß halbrechts, der Unparteiische Henseke stand bereits 40 Meter vom Ball entfernt. Einige Sekunden waren bereits vergangen, Celik führte aus. Henseke befand, er habe den Pfiff abwarten müssen – und schickte Celik mit Gelb-Rot runter. Ziemlich abenteuerlich (76.). Noch abenteuerlicher war es dann allerdings, Hamm auf der Gegenseite keinen Strafstoß zu geben. David Goncalves mähte Robin Asante nahe der Torauslinie am rechten Sechzehnereck um –direkt vor den Augen des Assistenten. Keine Fahne, kein Pfiff – völlig unverständlich (80.).
Also schickte Blum dann noch mal Alekseev – und der schoss daneben (82.).
Genau wie Asante auf der Gegenseite aus spitzem Winkel, nachdem Suntic aus 16 Metern am sensationell reagierenden Joost mit einem Flachschuss gescheitert war (85.).
Und zum Abschluss durfte Blum ein letztes Mal ran. Graudenz auch. Wieder gehalten. (86.)
Dann war Schluss. Aus 15 Chancen hatte der Meiendorfer SV zwei Treffer gemacht und seine haushohe spielerische Überlegenheit in ein dürres, am Ende zittriges 2:1 umgewandelt. Hamm United in dieser Form ist zu wünschen, dass die restlichen Spiele bis zum Winter ausfallen mögen. Es gibt nämlich Teams in dieser Landesliga Hansa, die schießen den Ball so oft alleine vorm Tor auch öfter als zweimal in selbiges hinein.
Symbolisch: Hamm United am Boden. Foto: Hanno Bode
Stimmen:
Fatih Ergün (Trainer Meiendorfer SV) Das Ergebnis ist natürlich abenteuerlich niedrig. Wir haben zu Beginn der Saison viele Tore geschossen und auch kassiert. Spielerisch wollten wir da Lösungen für die Defensive finden. Das machen wir nun gut. Nun müssen wir wieder dahin kommen, effektiver unsere Chancen zu nutzen. Das trainieren wir intensiv. Dass Hamm so wenig Druck auf unsere ballführenden Spieler aufgebaut hat, kam uns natürlich sehr entgegen. Wir trainieren ja auch gegnerlos. Die Gelb-Rote Karte finde ich lächerlich. Da muss er viel mehr Fingerspitzengefühl zeigen. Wenn der Schiri den Arm hebt, ist das eigentlich für jeden Spieler ein Signal, dass er loslegen kann. Vielleicht wollte er ihm auch nur die Pfeife zeigen. Ich weiß es nicht. Unser Saisonziel bleibt ein Platz unter den ersten acht Mannschaften. Platz zwei oder eventuell ein bisschen mehr zählt auch dazu. Das sehe ich zwar nicht und das streben wir auch nicht an, aber wir nehmen das trotzdem gerne mit, wenn es so kommt. Unsere jetzige Lage zeigt mir, dass meine Mutti recht hatte. Sie hat mir immer gesagt: Arbeit wird belohnt im Leben.
Uli Schulz (Trainer Hamm United) Wir haben nicht gut gespielt. Das muss man fairerweise sagen. Eventuell hätte es dennoch zum Ausgleich reichen können, als Ron umgehauen wurde im Sechzehner. Das ist schon frech. Der Assistent steht an der Außenlinie und sieht nix. Die Niederlage haben wir uns aber selber zuzuschreiben. Wir gehen personell auf dem Zahnfleisch. Das müssen wir in der Rückrunde korrigieren. Da ist zu viel geschlampt worden. Zu viele liegen sterbend am Boden. Wir müssen sie alle wieder zusammenkleben. Von den anderen Spielern ist ja überhaupt keiner mehr da. Am Anfang der Saison ist zu wenig gemacht worden. Deshalb stehen wir da unten. Die Jungs können nichts dafür, dass die ganze Situation so beschissen ist. Wir spielen gegen den Abstieg und müssen ganz einfach die Ruhe bewahren. Mehr als über dem Strich zu bleiben ist in dieser Saison nicht drin.
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