13.02.2017 Rückblick: Warten auf Schmidt von Folke Havekost
Als alles in Osdorf im Dunkeln lag, liefen Altonas Fans zu Hochform auf und bespielten die Wartezeit in der Finsternis am Freitagabend nach dem Fluchtlichtausfall mit Sprechchören und Gesängen. Da wollten wir schon unsere Feuerzeuge herausholen, um zur Stimmung beizutragen.
Wir taten es dann doch nicht. Denn bei Lichte betrachtet war Altona 93 alles andere als stimmungsvoll. Der Tabellenzweite ließ beim 0:2 in Osdorf stattdessen viel von seiner Hinrunden-Form vermissen. Vielleicht waren die Altonaer geschockt durch den Langzeit-Ausfall ihres Schlüsselspielers Braima Balde, dessen Verletzung aus dem Testspiel gegen die HSV-U19 sich als Kreuzbandriss herausstellte. Nach dem umstrittenen Osdorfer Führungstor durch Melvin Bonewald, bei dem Vorbereiter Sascha Blume erst im Abseits gestanden und dann gefoult haben soll, fand der AFC jedenfalls nie richtig zurück ins Spiel.
„Ein völlig verdienter Sieg“, befand Osdorfs Trainer Peter Wiehle dann auch, als er nach 90 Minuten plus 25 Minuten Wartezeit auf die Wiederbelebung des Flutlichts und einem zweiten Treffer von Henrik Schmidt über die Punkte 26, 27 und 28 des Aufsteigers jubeln konnte. Das Warten hatte sich gelohnt – und stand gleichzeitig so sehr im Mittelpunkt des ersten Oberliga-Spieltags 2017, dass die Hamburger Kunsthalle spontan eine Ausstellung zum Thema „WARTEN. Zwischen Macht und Möglichkeit“ organisiert hat. ( http://www.hamburger-kunsthalle.de/presse/ausstellungen/warten)
Warten sei ein „anachronistisches Phänomen unserer beschleunigten, auf unmittelbare Bedürfnisbefriedigung angelegten Gesellschaft“, schreiben die Kuratoren der am Donnerstag öffnenden Ausstellung. Das sollen sie mal Alexander Borck erzählen, der zwölf Jahre lang geduldig darauf wartete, ein Ereignis aus den ersten zwölf Jahren seines Lebens zu wiederholen. Im Abstiegsduell beim Klub Kosova traf der 24-jährige Pinneberger gleich dreimal, sodass Kapitän Fabian Knottnerus sogar einen Elfmeter versemmeln durfte, ohne den 4:1-Auswärtssieg des VfL zu gefährden. „Wir bleiben drin, wie letztes Jahr!“, zeigte sich Hattrick-Schütze Borck nach dem Verlassen der Abstiegsplätze zuversichtlich. ( http://www.hafo.de/news/fullnews.php?id=6006)
Geduld war auch bei Barmbek-Uhlenhorst und in Niendorf gefragt, wo die Hausherren jeweils 0:1-Rückstände in 2:1-Siege umwandelten. Spektakulär und überraschend gelang dies den Niendorfern: Spitzenreiterin Concordia ging durch Yannick Siemsen 20 Minuten vor Schluss standesgemäß in Führung, brachte sich durch zwei Nachlässigkeiten aber um die Chance, den Vorsprung auf Altona von drei auf sechs Punkte zu verdoppeln. Bo Jannik Gehrke und Joshua Fuchs in der Nachspielzeit wendeten das Geschehen zu einem „Triumph der taktischen Disziplin, der Leidenschaft und der puren Unvernunft bei einer Standardsituation“, wie Mirko Schneider für HAFO beobachtete. ( http://www.hafo.de/news/fullnews.php?id=6007) Fest steht jedenfalls: Auf so ein Spiel hat man in Niendorf lange warten müssen!
Lange warten musste auch Kevin Lange auf sein erstes Oberliga-Spiel 2016/17. Der Barmbeker feierte seine Saisonpremiere gegen Wedel – und bereitete per Flanke gleich den 2:1-Siegtorkopfball von Ivan Sa Borges Dju vor. Ein toller Einstand nach viel Verletzungspech und einer ersten Hälfte, in der die Gäste überlegen waren, aber nur durch Eric Agyemang getroffen hatten. „Wir hätten zur Halbzeit 3:0 führen müssen“, beklagte Wedels Trainer Jörn Großkopf und blickte angesichts des Vier-Punkte-Vorsprungs auf einen Abstiegsplatz auf die Tabelle: „Es ist großer Mist, wenn du nach so einer Halbzeit dieses Spiel verlierst. Diese Nachlässigkeiten müssen wir sofort abstellen, sonst wird’s unlustig.“
Wir sind also auf dem Weg zum Abstiegskampf, der durch Pinnebergs Sieg bei Kosova an Brisanz gewann. Die Nachbarn aus Halstenbek-Rellingen wollten es dem VfL nachtun, hielten sich aber eher an Wedel: In der ersten Hälfte agierte HR überlegen, aber da es keinen Agyemang in seinen Reihen hat, traf es statt ein- sogar nur keinmal. Mit Wiederanpfiff wendete sich das Blatt; Sascha de la Cuesta knipste Türkiye nach vier Niederlagen am Stück mal wieder zu einem Dreier, den ein Eigentor von Vincent Ermisch zum 0:2-Endstand besiegelte.
Halstenbek rangiert nun hinter Pinneberg und nur noch haarscharf vor Abstiegsplatz 16. Dorthin rutschte der FC Süderelbe, der sein Heimspiel gegen Curslack-Neuengamme am Freitagabend 1:3 in den Sand setzte. Die überlegenen Gäste verdeutlichten, dass sie das geruhsame Tabellenmittelfeld dem aufregenden Kellerbereich vorziehen. Allein die Schlussphase gehörte den Süderelbern: Mehdi Jaourdat traf mit seinem achten Saisontor zum Endstand, Boris Shtarbev sah noch Gelb-Rot. Den Karten-Sünder hatten sie am Kiesbarg sehnsüchtig erwartet, in der Winterpause war er vom Regionalligisten SV Eichede nach Süderelbe zurückgekehrt. Die „unmittelbare Bedürfnisbefriedigung“ blieb aus. Manches lässt sich eben nicht er-warten.
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