FC Eintracht 03 Norderstedt: Höcker – Brown, Karikari (20. Bojadgian), Mandic, Rose – Koch, Karg (75. Choi) – Kunath, Drinkuth, Lindener (55. Meyer) – Lüneburg SV Halstenbek-Rellingen: Oest – Ghadimi, Krabbes (88. Hermanowicz), Schöttke, Sottorf – Brameier, Karakaya – Richert (75. Batista Monteiro), Behrami (68. Jeske), Siebert – Okafor Tore: 0:1 Krabbes (51.), 1:1 Meyer (90.+1), 2:1 Rose (120.) Besondere Vorkommnisse: HR-Trainer Heiko Barthel wird hinter die Bande verwiesen (90.+2) Schiedsrichter: Thorsten Bliesch (Niendorfer TSV): Zur Beurteilung seiner (Fehl)-Leistung fehlen einem die Worte…Gut, dass er aufhört. Beste Spieler: dieses Prädikat verdiente sich kein Norderstedter Spieler – Krabbes, Okafor und alle anderen, die eine mannschaftlich geschlossene und kompakte Leistung ablieferten Zuschauer: 3.193
„Normalerweise musst Du Strafanzeige stellen“, sagte HR-Präsident Hans-Jürgen Stammer mit zittriger Stimme nach dem Spiel, um dann in Tränen auszubrechen. Auch im dritten Anlauf konnte HR seinen großen (Pokal-)Traum nicht erfüllen – weil Schiedsrichter Bliesch in der Nachspielzeit ein klares Foul von Jan Lüneburg an Keeper Mirko Oest nicht pfiff und den Norderstedtern so den irregulären Ausgleich ermöglichte. „Zu einem Endspiel gehört der beste Schiedsrichter – und nicht ein Abschiedsgeschenk für einen, der aufhört. Da sollte sich der Verband wirklich mal Gedanken machen“, so Stammer in der Pressekonferenz.
Die Halstenbeker hatten dem haushohen Favoriten einen ebenbürtigen Kampf geliefert und waren nach einer Ecke von Yannick Sottorf durch einen Kopfball von Sebastian Krabbes nicht unverdient in Führung gegangen (51.). „Das Gegentor hat richtig Wirkung hinterlassen“, so Dirk Heyne nach dem Spiel, „aber der Glaube war immer da, dass wir es noch schaffen“. Doch gezeigt hat der Regionalligist nichts. Ängstlich, fast schon paralysiert, ohne jegliches Tempo – es war ein kollektiver Blackout.
Nur einen (!) nennenswerten Angriff brachte EN im ersten Abschnitt zustande, als Felix Drinkuth über links schön auf Yayar Kunath passte, der dann quer für Jan Lüneburg auflegte. Doch der bullige Stürmer semmelte volley aus 11 Metern über das Tor (45.+1). „Den muss er machen“, so Heyne. Stattdessen bekam HR die Konterchancen. Zweimal steuerte Christian Okafor unbedrängt dem 2:0 entgegen, beide Male klärte Keeper Johannes Höcker mit dem Fuß (54./80.). Beide Male hätte der von vielen Oberligisten umworbene HR-Stürmer dabei abspielen können (müssen). Erst war Indrit Behrami mitgelaufen, dann Tim Jeske.
Gereicht hätte es trotzdem. Gefühlt hatte HR die Hand schon am Pokal. Nur noch 100 Sekunden von der angezeigten Nachspielzeit waren offen. Dann trat Philipp Koch von der Mittellinie einen Freistoß auf den zweiten Pfosten. Torhüter Oest stieg hoch und wollte das Leder am Fünfmeterraum gerade herunterpflücken, als Lüneburg ihn mit dem Ellenbogen voran im Luftkampf „umcheckte“. Oest verlor logischerweise den Ball aus den Händen und dieser fiel Linus Meyer vor die Füße, der aus fünf Metern ins leere Tor zum 1:1 traf (90.+1). Aber das ganze Stadion war sich sicher: Der Treffer zählt nicht. Zu klar war das Foul von Lüneburg. Sogar die Norderstedter zeigten in ihrer Körpersprache zunächst keinen erkennbaren Jubel. Aber die in Rot-Weiß spielenden Norderstedter bekamen so etwas wie den „Bayern-Bonus“. Bliesch entschied nach Blickkontakt mit seinem Assistenten Reinhard Wunder tatsächlich auf Tor. Eine fast schon skandalöse Entscheidung, die HR um den sicher geglaubten Sieg (und 140.000 Euro) brachte. Und für Norderstedt ein Deja-vu aus dem Vorjahr, als Altona sich bis zur 89. Minute im Pokalhimmel wähnte (damals allerdings mit einem regulären Ausgleichstreffer). Wegen eines wütenden Fußtritts gegen die Bande wurde HR-Coach Heiko Barthel dann sogar noch hinter selbige verwiesen und musste die Verlängerung von „draußen“ gucken.
Diesen Nackenschlag würde HR nicht verkraften und der Regionalligist würde nun ähnlich dominant wie im Vorjahr (4:1 n.V.) alles klar machen – so die einhellige Meinung sämtlicher „Experten“ auf der Pressetribüne. Doch erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Norderstedt weiter völlig unstrukturiert und ohne spielerische Linie. HR hingegen auf dem letzten Loch pfeifend mit einer kämpferischen Glanzleistung – und den besseren Chancen: Flanke Niklas Siebert, Okafor im Fünfmeterraum nur mit dem Haarschopf dran (99.). Und zwei Freistöße von Ümit Karakaya (105.) und Siebert (109.) hielt Höcker sicher. Also Elfmeterschießen. Dachten jedenfalls alle. Die (aller-)letzten Sekunden liefen – da packte Jan-Philipp Rose aus gut 20 Metern einen Gewalt(glücks)schuss aus, der halbhoch zum 2:1 einschlug (120.). Fußball kann so ungerecht sein.
Norderstedt feierte den Treffer zunächst enthusiastisch, doch nach der Siegerehrung blieb es merkwürdig verhalten (kein Vergleich zum Vorjahr). Es herrschte wohl bei allen der Gedanke: „Puh, nochmal davon gekommen“ vor. Denn wirklich verdient war das heute nicht (vor allem, wegen der gezeigten eigenen Leistung). Und dann auch noch begünstigt durch eine krasse Fehlentscheidung des Schiedsrichters. Der Verband (Carsten Byernetzki/Karsten Marschner) hatten aufgrund einiger wütender HR-Fans sofort entschieden, dass die Siegerehrung auf dem Rasen und nicht, wie sonst üblich, auf der Tribüne stattfindet. Um dem Gespann ein gnadenloses Pfeifkonzert zu ersparen, entfiel sogar die sonst übliche Danksagung und Ehrung an den Schiedsrichter. Ein bitterer Abschied für Thorsten Bliesch, dem dieser Tag wohl noch lange nachhängen wird…
EN-Trainer Dirk Heyne jedenfalls sammelte viele Sympathiepunkte und „entschuldigte“ sich fast schon für den Sieg: „Ich wäre auch an die Decke gesprungen, wenn meine Mannschaft so einen Ausgleich kassiert hätte“.
Stimmen:
Dirk Heyne (Trainer FC Eintracht 03 Norderstedt): Wir freuen uns trotzdem über den Sieg. Das Spiel heute hat mal wieder gezeigt, warum Pokalspiele so reizvoll sind, weil in einem Spiel eben alles möglich ist. Wir waren heute die Glücklicheren. Wer in der 90. und 120. die Tore macht, der kann sich schon mal bedanken. Wir haben uns das Leben selbst schwer gemacht, das war keine gute Leistung von uns. Wir hatten einen klaren Plan, wie wir spielen wollten. Davon haben meine Jungs aber nichts umgesetzt. Da spielt eben der Kopf eine große Rolle. Wir konnten in keiner Phase des Spiels die Favoritenbürde ablegen. Aber nach der Erfahrung vom letzten Jahr (Anmerkung der Redaktion: Ausgleich gegen Altona in der 89. Minute) haben wir immer noch daran geglaubt. Hochachtung an HR, die waren ein absolut würdiger Gegner.
Heiko Barthel (Trainer SV Halstenbek-Rellingen): Glückwunsch an Norderstedt. Für Siege muss man sich nicht entschuldigen – so ist das im Sport. Wenn eine strittige Situation zum Ausgleich führt, dann ist das eben so. Und wenn der goldene Schuss noch in der 120. Minute fällt, dann fühlt es sich nicht besser an. Ich kann meiner Mannschaft absolut keinen Vorwurf machen. Wer uns heute gesehen hat, kann gar nicht glauben, warum wir abgestiegen sind. Hut ab vor der Leistung meiner Jungs.
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