10.09.2017 Ein ungewöhnliches Ergeb- und Erlebnis von Andreas Killat
vs.
Wedeler TSV – SC Condor 3:5 (1:2)
Wedeler TSV: Steen – Gomoll, Vollmer, Eibl, Hayran – Dirksen – Richter, Steinecke, Jeske – Ganitis (71. Roesler), Jan Eggers (77. Ebbecke) SC Condor: Kleinschmidt – Mellmann, Körner, Daudert, Theis – Klammer (46. Lohner) – Martens, Rathjen, Iscan (83. Niederstadt), Künkel – Weiser (72. Flores) Tore: 0:1 Weiser (1.), 1:1 Richter (27.), 1:2 Martens (33., FE), 2:2 Ganitis (62.), 2:3 Weiser (68.), 2:4 Flores (78.), 3:4 Dirksen (86., FE), 3:5 Niederstadt (90.+2) Schiedsrichter: Thomas Bauer (Rahlstedter SC): Mit einigen Unsicherheiten. So erkannte er das klare Foul von Kleinschmidt an Richter nicht, profitierte aber von der Ehrlichkeit des Keepers. Beste Spieler: Jan Eggers, Ganitis, Jeske, Richter – Künkel, Martens, Weiser, Mellmann, Daudert Zuschauer: 130
Letzte Saison verlor Wedel beide Spiele mit 3:4 gegen Condor – jeweils nach 3:1 bzw. 3:2-Führung. Spektakel war heute also vorprogrammiert – und die Zuschauer bekamen tatsächlich wieder einen torreichen Krimi geboten (auch wenn der Spielverlauf diesmal etwas anders war).
Schon nach 40 Sekunden schlug es zum ersten Mal ein: Eine Flanke von Julian Künkel vom linken Flügel ging im Fünfmeterraum zwischen den beiden WTSV-Innenverteidigern nieder. „Nimm Du ihn – ich hab ihn sicher“ – und schon spritzte Nico Weiser dazwischen und markierte mit der Schulter (!) das 0:1 (1.). Was für ein Schock für die sowieso schon löchrige Abwehr der Hausherren. Letzte Saison 67 Gegentore und heuer auch schon wieder 22 Stück (nach dem heutigen Spiel) – da muss sich die sportliche Leitung wohl dringend etwas einfallen lassen.
Doch Wedel erwachte schnell wieder zum Leben. Theo Ganitis mit einem Zuckerpass in die Tiefe, aber Marcus Richter traf zunächst nur den Pfosten (22.). Doch als SCC-Keeper Sascha Kleinschmidt nach einem langen Ball aus der Wedel-Abwehr noch am eigenen Sechzehner rumturnte, nutzte Richter die Chance, umkurvte Kleinschmidt und schob zum 1:1 ins leere Tor ein (27.). Nur 100 Sekunden später das gleiche Muster: Diesmal Torhüter Stefan Steen mit einem seiner gefürchteten Abschläge über 60-70 Meter, genau auf Tim Jeske, doch dessen Schussversuch geriet viel zu lasch (29.). Und weiter Wedel: Flanke Jan Eggers, Kopfball Jeske: Kleinschmidt reißt die Fäuste hoch und pariert glänzend. Aber der Ball fällt Richter genau vor die Füße, der schon zum Torjubel ansetzt, aber den unter die Latte gezimmerten Ball kratzt Kleinschmidt mit einer weiteren Heldentat noch raus (30.). Was für eine Doppelchance!
Und was Wedel vorne vergeigt, reißen sie hinten zusätzlich noch um. Jannick Martens dreht sich geschickt in Sonay Hayran rein, der tut ihm den Gefallen und zerrt an Trikot und Schulter. Klare Sache: Elfmeter! Der Gefoulte tritt selbst an und verwandelt sicher zum 1:2-Pausenstand (33.). „Ich habe trotzdem ein gutes Gefühl“, so Frank Ockens (Sportlicher Leiter in Wedel) in der Halbzeitpause. „Das ist heute ein ganz anderer Auftritt von uns, als letzte Woche beim 1:6 gegen Vicky. Ich glaube, wir gewinnen noch 3:2“.
Und die Gastgeber machten weiter mächtig Druck. Ganitis köpfte übers Tor (57.), Jeske scheiterte an Kleinschmidt (60.). Der Ausgleich lag in der Luft – und mit Hilfe von Gökhan Iscan, der vor dem eigenen Strafraum einen katastrophalen Quer-/Fehlpass spielte, gelang dieser schließlich auch. Ganitis bedankte sich für das Zuspiel und hämmerte die Kugel aus 22 Metern in den Giebel zum 2:2 (62.). „Dabei habe ich in der Halbzeit extra noch gesagt, dass wir nicht immer alles spielerisch lösen sollen, sondern den Ball auch einfach mal ins Seitenaus dreschen können“, so SCC-Coach Christian Woike. „Das war die achtzigste spielerische Lösung, die nicht geklappt hat“.
Aber sowas kann Wedel auch. Marlo Steinecke passiert quasi genau das gleiche Missgeschick, diesmal bedankt sich Nico Weiser aus 24 Metern zum 2:3 (68.). Was für ein Jubel auf der Condor-Bank: „Du bist so ein geiler Typ“ riefen die Ersatzspieler dem Torschützen zu, der eigentlich kurz zuvor schon ausgewechselt werden sollte. Denn Carlos Flores stand seit einer halben Minute bereit, „aber ein guter Trainer wartet eben so lange ab, bis der Stürmer noch ein Tor macht“, klopfte sich Woike sozusagen selbst auf die Schulter.
Nun waren plötzlich wieder die Raubvögel am Drücker. Theis mit einem Sahne-Diagonalpass aus der eigenen Hälfte quer über den halben Platz genau in den Lauf auf den eben erwähnten Flores – und der marschierte am Torhüter vorbei und vollendete zum 2:4 ins leere Tor (78.). Sack zu, Deckel drauf? Nicht in Wedel!
Nach einem weiteren Ballverlust vor dem eigenen Strafraum (diesmal von Fynn Rathjen) ging Richter auf und davon, war schon an Kleinschmidt vorbei und wollte einschieben, als dieser ihn klar von den Beinen holte. Doch zur Überraschung aller forderte Schiedsrichter Thomas Bauer den Gefoulten mit Handzeichen auf, schleunigst wieder aufzustehen. Doch bevor der Referee Richter die Gelbe Karte für eine vermeintliche „Schwalbe“ zeigen konnte, stellte Condors Keeper die Sache klar: „Als der SR gepfiffen hat, habe ich natürlich gedacht, er gibt Elfmeter. Ich habe ihn klar berührt. Deswegen bin ich zu ihm hin und habe das klargestellt. Das muss jeder selbst mit seinem Gewissen vereinbaren, aber in der Situation habe ich gedacht, es ist einfach das Richtige“.
Eine überragende Aktion von Kleinschmidt, der damit auf jeden Fall ein Kandidat für den Fair-Play-Preis der Sparda-Bank ist. Großkopf: „Hut ab und Daumen hoch für Sascha Kleinschmidt. Das ist bei so einem Spielstand ja nicht selbstverständlich. Wieso ein Schiedsrichter allerdings so eine klare Situation als Schwalbe werten will, ist mir unbegreiflich“. Nun, der gescholtene Schiri zeigte zumindest Größe, bedankte sich bei Kleinschmidt mit einem Handschlag für dessen Ehrlichkeit und entschied dann auf Elfmeter. Christian Dirksen verwandelte sicher zum 3:4 (86.) und beim SC Condor begann das große Zittern.
Doch den Gastgebern wollte keine klare Aktion mehr gelingen. Stattdessen setzte Condor nach einem Konter noch einen oben drauf. Der ebenfalls eingewechselte Ken Niederstadt traf aus 22 Metern zum 3:5 (90.+2) und sorgte nach zuvor 2x 3:4 nun also für „ein untypisches Ergebnis“, so Woike nach dem Abpfiff scherzhaft. Auf die Szene mit Kleinschmidt angesprochen, stellte Woike klar: „Das entscheiden die Jungs auf dem Platz ganz alleine“.
Stimmen:
Christian Woike (Trainer SC Condor): Das sind immer besondere Spiele hier in Wedel, da passiert immer eine ganze Menge. Nach dem frühen 1:0 war schon klar, dass heute wieder die Tore geöffnet sind. Wedel hatte etwas mehr Ballbesitz und Spielanteile, aber das war auch unser Matchplan. Wir wollten aber viel konsequenter in die Räume hinter den hochstehenden Außenverteidigern kommen, aber das haben wir nicht besonders gut hingekriegt. Nach dem 2:2 war eine Phase, wo ich dachte, das Spiel kippt. Aber dann machen wir - nach einem schlecht gespielten Konter - aus dem Nichts das 3:2. Schön, wenn man dann noch so wechseln kann und Flores und Niederstadt treffen. Damit haben wir ein ungewöhnliches Ergebnis für Wedel gegen Condor – denn eigentlich geht es ja immer 4:3 aus.
Jörn Großkopf (Trainer Wedeler TSV): Das Spiel geht schon katastrophal los. Der Ball kommt im Fünfmeterraum runter und wir bekommen ihn nicht verteidigt. Danach haben wir anständig gespielt, machen aber immer wieder schlimme Fehler wie beim 1:2 und 2:3. Wir haben Überzahl und sind nicht in der Lage, gegen den Mann zu arbeiten. Da frage ich mich, ob einige nicht der falschen Sportart nachgehen. Die gegnerischen Stürmer haben immer Zeit, den Ball anzunehmen und sich zu drehen. Ich weiß nicht, was in einigen Köpfen da vor sich geht. Wir haben eine gute Qualität im Kader, das hat man auch heute gesehen. Aber fünf Gegentore – das ist eine absolute Katastrophe. Das ist indiskutabel und unter aller Kanone, was einige Herren sich da leisten. Ab sofort herrscht bei uns Abstiegskampf – und das muss jeder begreifen.
Statistik: Gesamt-Punktspiel-Bilanz aus Sicht des Gastgebers (seit 1956): 29 Spiele: 7 Siege, 4 Remis, 18 Niederlagen, 48:71 Tore
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