11.05.2018 Interview: Christian Woike mit Wehmut und Vorfreude von Andreas Killat
Am Sonntag (13. Mai) steht das letzte Heimspiel für den scheidenden Condor-Trainer Christian Woike auf dem Programm. Am Rande der Nachholpartie in Dassendorf sprach HAFO diesen Dienstag mit dem „Pfundskerl“, der in den Pressekonferenzen immer ehrlich, offen und mit einer Prise feinem Humor Stellung bezog – wie auch jetzt!
Zur Person:Christian Woike geb.: 29.05.1978 in Schorndorf (Stuttgart) Beruf: Versicherungskaufmann (Leiter Vertrieb National bei der DAK) Spitzname: „Crille“ B-Lizenz-Trainer (UEFA B-Level) seit: 01.06.2013 (durchgehend beim SC Condor); vorher 2012/13 Co-Trainer unter Meik Ehlert (ebenfalls SCC)
Karriere/Stationen als Spieler: Herren-Debüt 1995 als 17jähriger bei der SG Schorndorf (Oberliga Baden-Württemberg); 1999/2000 Bramfelder SV (Aufstieg in die Oberliga); 2000/2001 VSG Stapelfeld (Torschützenkönig mit 32 Treffern); 2001-2004 USC Paloma (Aufstieg in die Oberliga, Pokalsieger); 2004-2009 SC Condor. (Vor-)letztes Spiel am 19.8.2007 gegen VfL Pinneberg – mit schlimmen Kreuzbandriss ( http://www.hafo.de/news/fullnews.php?id=2657). Nach 21 Monaten (!) Verletzungspause zum Abschied dann an seinem 31. Geburtstag am 29.5.2009 ein Kurz-Comeback für rd. 60 Minuten ( http://www.hafo.de/news/fullnews.php?id=3574).
Trainer-Statistik: 165 Punktspiele (64-40-61), 232 Punkte, 307:298 Tore (Stand 11.05.2018) dazu 23 Pokalspiele (18-0-5), 85:22 Tore
Erstes Pflichtspiel als Trainer: 28.7.2013 Pokal (1. Runde) 4:1-Sieg beim TSC Wellingsbüttel (BL) und erstes Punktspiel (Oberliga) am 4.8.2013 der 2:1-Derbysieg beim Bramfelder SV
Größte Erfolge: 2x Pokalfinale (2014, 2015); Platz 6 Oberliga (2014)
Wehmut und Vorfreude: 50:50 – „Wollen den Sonntag genießen“
„Meine Gefühle sind komplett gemischt“, berichtet uns Christian Woike mit Blick auf das letzte Heimspiel als Trainer am Sonntag gegen den VfL Pinneberg (also gegen den Klub, gegen den er aufgrund eines Kreuzbandrisses einst seine aktive Spieler-Karriere beenden musste): „Wehmut, dass es zu Ende geht und Vorfreude, dass es endlich vorbei ist, halten sich zu 50:50 die Waage“.
Und natürlich wünscht er sich der „Maximum-Orientierte“ ( http://www.hafo.de/news/fullnews.php?id=5410) nichts sehnlicher, als einen „Dreier“: „Mir wäre es sehr wichtig, wenn wir durch einen Sieg den Klassenerhalt zu 100% festmachen, so dass wir den Tag auch genießen können“. Das wäre ein versöhnlicher Abschied „für ein echtes Katastrophenjahr“ – „und mir würde echt ein Stein vom Herzen fallen“.
Trotz “Katastrophenjahr“: „Riesenschritt nach vorne“
Denn so gut es mit den beiden Pokal-Finalspielen 2014 und 2015 zu Beginn seiner Amtszeit am Berner Heerweg lief, hielt die Spielzeit 2017/18 leider hauptsächlich negative „Überraschungen“ bereit.
„Auch wenn es diese Saison sportlich nicht so läuft, sind wir sehr glücklich und zufrieden, wo wir den SC Condor hingebracht haben. Wenn ich überlege, wo der Verein vor fünf Jahren stand, haben wir glaube ich von der Reputation her einen Riesenschritt nach vorne gemacht. Es ist zu erkennen, dass sich hier etwas getan hat“.
Doch Woike ist ehrlich genug, um festzustellen: “Es war wirklich ein absolutes Katastrophenjahr. Das kannte ich gar nicht, mir hat bis dahin immer die Sonne aus dem Arsch geschienen. Es war extrem intensiv, emotional und arbeitsreich. Aber das kann man alles erklären. Ich hatte so viele Nackenschläge wegzustecken. Erst hat mein bester Freund Matthias Bub als Manager aufgehört, dann ist mit Michael „Voggi“ Vogt (Zeugwart und gute Seele beim SCC) ein weiterer Freund gestorben. Im Prinzip bin ich der einzige, der aus diesem „Nest“, das mich vor fünf Jahren umgeben und „warmgehalten“ hat, übrig geblieben ist. Da sind viele Dinge passiert, die wirklich Kraft gekostet haben. Deswegen bin ich einerseits froh, dass der Schnitt da ist, aber andererseits bin ich eben auch traurig“.
“Bis hierhin und nicht weiter“ scheint Christian Woike anzuzeigen. Foto: Hanno Bode
“Sorge um die Zukunft der Raubvögel“
„Ich habe schon bisschen Kopfweh und Kummer“, pustet Woike während des Interviews kräftig durch: „Viele Vereine rüsten wirklich mächtig auf und es kommen sehr starke Aufsteiger aus der Landesliga hoch. Da habe ich schon etwas Kummer und Respekt vor der kommenden Saison, ob Condor in der Liga bleibt. Ein Haus steht immer auf vier Säulen. Wenn zwei wegbrechen, ist das noch nicht so schlimm. Aber wenn drei wackeln, dann kommst Du früher oder später in Schieflage“, beschreibt Woike das aktuelle Szenario. „Mit mir geht die letzte Konstante, aber ich hoffe sehr, dass meine Nachfolger hier alles geordnet und in ruhigen Bahnen weiterführen“.
Trotz aller Sorgen: Natürlich hängen ihm die Raubvögel (für immer) am Herzen: „Condor ist ein großartiger Verein und hier ist aus ganz ganz wenig sehr sehr viel gemacht worden. Ich werde mir ganz bestimmt viele Heimspiele angucken. Es wird ein Überbrückungsjahr - und ich wünsche mir, Femi und dem Verein sehr, dass der sportliche Erfolg da ist“.
Christian Woike (l.) und sein Nachfolger Olufemi Smith. Foto: Hanno Bode
“Habe den Schnitt im Kopf vollzogen“ – „Angst“ vor Emotionen
„Im Kopf habe ich den Schnitt schon vollzogen, aber ein bisschen Bammel vor Sonntag habe ich dennoch. Dazu kommen ein wenig „Angst“ vor Emotionen und Respekt vor der Situation“, so Woike. Denn wer den (noch) 39jährigen kennt, der weiß: „Crille“ ist ein herzensguter Mensch und echte Gefühle sind ihm keineswegs fremd.
„Ich muss lernen, los zu lassen. Da werde ich mich auch zu zwingen“, blickt „Crille“ schon mal 14 Tage voraus. „Ich freue mich darauf, einige Wochenenden an der Ostsee zu verbringen“. Viele Kenner der Hamburger Amateurszene mochten seinen im Dezember verkündeten Abschied jedoch nicht glauben.
„Es war schon toll und erstaunlich, wie viele Kollegen, Spieler, Trainer, Vereinsverantwortliche und Freunde sich bei mir gemeldet und ihre Traurigkeit zum Ausdruck gebracht haben. Das hat mich tief bewegt und sehr gefreut“.
“Es sind nicht viele schlechter geworden“
Neben den vielen sportlichen Highlights bedeutet Woike vor allem die Entwicklung der Spieler etwas: „Es sind glaube ich nicht viele schlechter geworden“, betreibt er wie so häufig gerne schwäbisches Understatement. Einer, der ihm einiges zu verdanken hat, ist zum Beispiel Jannick Martens. Der 27jährige kam vor zwei Jahren an den Berner Heerweg und erklärte erst kürzlich im Interview mit den Kollegen von „fussifreunde“: „Ich fühle mich beim SC Condor sehr heimisch und für die zwei sehr prägenden Jahre mit „Crille“ bin ich sehr dankbar“ ( https://www.fussifreunde.de/artikel/martens-bleibt-in-der-pflicht-den-karren-wieder-aus-dem-dreck-zu-ziehen/).
“Freue mich über die Wertschätzung“
Nachdem klar war, dass er (vorerst) als Trainer aufhört, „gab es viele Anrufe/Angebote von anderen Vereinen. Nach dem Motto: „Mensch, können wir nicht nochmal reden? Über diese Wertschätzung habe ich mich gefreut und zeigt mir, dass wir nicht alles verkehrt gemacht haben“.
Doch erstmal will Woike Abstand gewinnen: „Ich war hier lange Spieler, dann Co-Trainer und jetzt fünf Jahre Chef-Trainer. Das waren extrem emotionale Jahre mit aus meiner Sicht den besten Amateurspielen, die wir erleben durften. Wenn ich da zum Beispiel an unsere Pokalspiele gegen HR, Vicky, Buchholz und Altona denke – da haben wir dem Hamburger Fußball viel gegeben“.
HAFO sagt „Danke“, lieber Crille, für in der Tat aufregende Jahre. Alles Gute für die weitere berufliche Laufbahn und bleib so, wie Du bist: Ein toller Mensch mit dem Herz am rechten Fleck!
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