Diesen Mann kann niemand übersehen. Und bestimmt nicht überhören. Er ist deutlich lauter als NTSV-Cheftrainer Ali Farhadi, liegt womöglich, was läuferische Leistung und Frequenz von Kommandos und Kritik in Richtung des Spielfelds angeht, deutlich vorn in der Niendorfer Coaching Zone. Und wenn sich Jörg Steinbach, aktueller Assistenztrainer beim Oberligisten vom Sachsenweg, auch mal mittendrin freut, dann lässt er das seine Mitmenschen wissen: „Ich liebe diesen Jungen. Das Training mit ihm macht so viel Spaß“, schwärmt der 59-Jährige vor Torwarttrainer Frank Kickbusch über den starken und lernwilligen Dario Streubier, „das Problem ist nur: Wenn das weiter so viel Spaß macht, dann komme ich gar nicht mehr nach Hause.“
Jaja, die Gastgeber dürften beim 5:0-Sieg gegen Concordia insgesamt viel Spaß gehabt haben. „Es ist wieder Zug bei uns drin“, findet auch Farhadi, was auch an der Rückkehr Steinbachs liegen mag. Farhadi muss sich nun mal gar nicht kleiner machen als er ist, gehört durchaus zu den kommunikativeren und kernigeren Coaches, aber mit Steinbach und seinem Organ kann er nicht mithalten. Wie ein Marktschreier dröhnt der Typ mit der Schiebermütze hinein: Die Außenverteidiger „Bohne“ (Daniel Brückner) und „Specko“ (Lennard Speck) sind im Dauerfokus. Es fehlt ständig an „Höhe“ im Niendorfer Spiel, also dem schnellen Rausrücken der Viererkette bei eigenem Ballbesitz. Manche Situation erfordern ein etwas länger gezogenes „cool“ von der Seitenlinie, wenn’s um die Herausnahme des Tempos geht. Und dann ist da ständig diese Gefahr im Rücken, über der „linken Schulter“ – die sieht womöglich nur Steinbach selbst…
Niendorfs Co-Trainer benötigt für seinen Fußball-Lehrerschein noch ein Praktikum, und sein Ex-Club, bei dem er bereits in der Saison 16/17 assistierte, springt da gern ein. Hauptsächlich ist der Mann übrigens bei den Tschechen von Dukla Prag in mehreren Funktionen tätig, fährt zurzeit mehrfach die Strecke Prag-Hamburg. Der Effekt ist offenbar gegeben: „Er macht zwischendurch auch mich wieder wach“, erzählt Ali Farhadi von dem Dauereinpeitscher in seinem Arbeitsbereich, „außerdem ist Jörg mein Freund. Da hilft man sich natürlich.“
Wach war auch der Vorjahres-Pokalfinalist von Beginn an – obwohl Marcel Kindler den ersten gefährlichen Abschluss von Pascal El-Nemr nach einer Schlampigkeit von Mustafa Ercetin entschärfen musste (3.). Quasi im Gegenzug glückte Ilyas Afsin die Niendorfer Führung (4.) – ab da gerieten Frank Pieper-von Valtier und seine Jungs zu bedauernswerten Nebendarstellern.
Beim zweiten Gegentor ließ sich halb Cordi von einer Einwurf-Flanke von Brückner übertölpeln, Merkle nickte ein, weil auch Gäste-Torwart Frederic Böse wenig konsequent herausgekommen war (21.). Böse wiederum hielt seine Farben dann mit Reflexen gegen einen Afsin-Kopfball (31.) und im Eins-gegen-Eins gegen Dario Streubier im Spiel (35.), bevor er das Tor des Tages neben sich einschlagen sah: Streubier hatte eine Flanke von Leon Meyer aus anspruchsvollem Winkel direkt genommen, die Kugel sauste satt getroffen vom Innenpfosten ins Netz (39.). Und jetzt raten Sie mal, wer hierauf durch fleißige Übungsanleitung Copyright drauf hat? Natürlich Jörgele: „Und dass nach 5000 Schüssen im Training“, jubelte das Niendorfer Urgestein.
Weiteren Grund zur Freude bescherten Merkle nach formidabler Kombination über vier Stationen zum 4:0 (52.) und Kilian Utcke mit dem Tor zum Endstand (71.) den Niendorfer Verantwortlichen. „Wir haben aber auch nicht alles richtig gemacht, hätten noch zwei, drei Tore mehr erzielen können“, kritisiert Farhadi auf hohem Niveau.
Dennoch: Die Niendorfer Heroes waren besser ausgerichtet, schneller und vor allem lauter als Concordias Chorknaben. „Gibt es weniger als gar nichts?“, übte sich Frank Pieper-von Valtier in Zynismus, „der Gegner kann ja schon mal nichts dafür, wenn wir gar nicht laufen. Und das ist die Grundvoraussetzung beim Fußball.“ Es fehlte sogar der Wille zur Ergebniskosmetik: NTSV-Torwächter Marcel Kindlers parierte anspruchsvoll den Elfer von Theo Ganitis (82.). Cordi also weiter auf der Suche nach sich selbst und einer gewissen Konstanz - vielleicht wäre eine Prise von Steinbachs Temperament irgendwo in den Reihen der Rot-Schwarzen alles andere als kontraproduktiv.
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