07.03.2019 Vorschau: Auf ein schnelles Eis am Stiel von Folke Havekost
Vorbei ist der heiße und hitzige Februarfußball mit vielen Toren und fast ebenso vielen Trinkpausen, der sich eigentlich nur bei einer WM in Brasilien oder eben im winterlich-sonnigen Hamburg bestaunen ließ. Doch alles ist vergänglich: Pünktlich zum März trommelt der Regen auf die Stadt und der Wind pfeift sein Lied dazu. Zum Glück hat das Hamburger Wetter zahlreiche Künstler und Gelehrte keinesfalls abgeschreckt, die Stadt zu besuchen und sich ein Bild von der Lage der Dinge zu machen. Klar, dass da auch die hiesige Oberliga in den Fokus der Prominenz geriet. Die HAFO-Redaktion hat aufmerksam notiert, was in Hamburg so alles gesagt wurde. Wer bei den nun folgenden Zitaten die Ausgewogenheit vermissen sollte, dem sei ein Blick auf die Hinrunden-Ergebnisse ans Herz gelegt. Damals gab es auch Sicht der Heimmannschaften drei Siege, drei Unentschieden und drei Niederlagen. Ausgewogener geht es nun wirklich nicht.
„Einen großen Applaus für Leute, die Geld in Kultur stecken.“ Forderte der schwedische Schlagzeuger Magnus Öström, als er am 22. Februar mit dem Trio Rymden in der Elbphilharmonie auftrat. Was zu der kuriosen Situation führte, dass das Publikum im Konzerthaus sich selbst beklatschte – schließlich ist Hamburg den wohl einmaligen Weg gegangen, zwecks Bau des Musiktempels nicht die Klinken der 42.000 Millionäre der Stadt zu putzen, sondern die Allgemeinheit das Werk verrichten zu lassen. Großen Applaus gab es auch beim Hinspiel – für die Niendorfer Fußballkultur, die sich zu einem 5:0-Triumph am Gramkowweg aufschwang. Besonders viel „Rymden“ (schwedisch für Raum) hatte damals Mustafa Ercetin, der den Vierländern gleich drei Trommelschläge versetzte und den Kollegen Andreas Killat zur Überschrift „Mustafantastisch“ inspirierte. ( http://www.hafo.de/news/fullnews.php?id=6281) Dass Niendorf sein letztes Heimspiel gegen Concordia ebenfalls 5:0 gewann, zeigt, dass Ali Farhadis Elf im Rhythmus ist. HAFO-Tipp: Applaus gibt’s diesmal für eine starke Abwehrleistung der Vierländer, aber dafür kann sich Curslack-Neuengamme auch nichts kaufen – 1:0 für Niendorf.
SC Victoria (3) vs. HSV Barmbek-Uhlenhorst (6) – Freitag, 19:30 Uhr (Hinrunde: 1:2)
Lokstedter Steindamm 87, 22529 Hamburg
„Als ich das erste Mal hier war, wollte ich mir instinktiv die Schuhe ausziehen.“ Sagte Magnus Koch, der die Ausstellung im Langenhorner Wohnhaus von Loki und Helmut Schmidt kuratiert hat und offensichtlich nicht allergisch gegen Mentholzigaretten ist. In Victorias Wohnzimmer liegt feiner Korkkunstrasen, der die meisten Gäste freilich nicht dazu bewegt, ihn auf Socken oder gar barfuß zu betreten. Das ist aber auch egal, denn in ihrer aktuellen Form zieht die alte Dame von der Hoheluft den Gegnern sowieso die Schuhe aus. HAFO-Tipp: Helmut Schmidt saß von 1957 bis 1962 für Barmbek im Bundestag, bevor er Hamburger Innensenator wurde. Erster Hamburger Meister in seiner Senatorenzeit wurde gleich der SC Victoria, der sich auch in der Gegenwart von BU nicht aufhalten lässt – 3:1 für Vicky.
Schiedsrichter: Lasse Holst (FC Türkiye)
FC Süderelbe (10) vs. TuS Osdorf (8) – Freitag, 20 Uhr (Hinrunde: 2:2)
Kiesbarg, 21149 Hamburg
„Wir wollen nur junge Leute vor der Kamera, das ist besser für Instagram.“ Scherzte Linda Zervakis beim Entscheid, wer für die ARD beim Eurovision Song Contest 2019 in Tel Aviv singen soll. Den Satz musste die Tagesschau-Sprecherin zwar in Berlin tätigen, weil die Veranstaltung sich schon 2015 aus Hamburg verabschiedet hat. Aber wenn eine Harburgerin etwas sagt, dann ist das so, und zwar egal wo. Zurück zum Geträller: Das Gewinner-Duo „Sisters“ wurde erst Wochen zuvor für den Wettbewerb zusammengestellt – was verdächtig nach der Saisonvorbereitung des FC Süderelbe klingt, der jahrein, jahraus neue Kicker casten muss. Die Neugrabener erfüllen auch das Zervakis-Kriterium: Der mittlerweile 18 Lenzen zählende Tom Lucas Sethmacher war der einzige Minderjährige, der in dieser Saison als Feldspieler in der Oberliga zum Einsatz kam. Und Osdorf? Die Wiehle-Elf bot zuletzt beim 1:3 gegen Altona auch großes Kino, wenngleich ohne Ertrag. Also: Lights ... Camera ... Kiesbarg! HAFO-Tipp: Instagram geht steil, weil das Mittelfeldduell mit einem spektakulären 3:3 endet.
Schiedsrichter: Fabian Porsch (Barsbütteler SV)
TuS Dassendorf (5) vs. VfL Pinneberg (18)*** – Sonnabend, 13 Uhr (Hinrunde: 6:1)
Wendelweg, 21521 Dassendorf
„Du findest die holden Blumen nicht mehr, die das junge Herz vergöttert.“ Sagte unsere Stadtgöttin Hammonia zum Erzähler, der in Heinrich Heines „Deutschland. Ein Wintermärchen“ nach zwölf Jahren an die Alster zurückkehrt und die Freu(n)de seiner Jugend vermisst. Okay, das war 1844, ist also schon ein bisschen länger her. Aber wir haben die gute Hammonia zuletzt einfach nicht erreicht, was vielleicht auch daran liegt, dass sie beim Tee mit Rum gerne auf den Tee verzichtet. Alldieweil, die holden Blumen vergangener Tage sind nicht nur in Heines Hamburg, sondern auch in Dassendorf und Pinneberg verwelkt. Diese verabschieden sich chancenlos in eine Landesliga, die Hammonias Namen trägt. Jene verpassen womöglich zum ersten Mal seit Heinrich Heines Rückkehr nach Hamburg die Stadtmeisterschaft ... doch Halt! – gerade erhalten wir eine Whats-App-Nachricht unserer Schutzgöttin: „Es blühte in der Vergangenheit so manche schöne Erscheinung des Glaubens und der Gemütlichkeit. Jetzt herrscht nur Zweifel, Verneinung.“ Kommentiert Hammonia da etwa, dass beide Vereine im Winter neue Trainer suchen mussten? Wir wissen es nicht – nur dass Dassendorf mit Jean-Pierre Richter immerhin ein junges Herz gefunden hat. HAFO-Tipp: Jenes Herz frohlockt nach dem ersten Heimsieg – 6:0 für den Meister.
„Zwei Minuten sind ein Eis am Stiel; zwei Minuten sind nicht wenig, aber auch nicht wirklich viel.“ Sagt oder singt Barbara Schöneberger vielleicht, wenn sie am heutigen Donnerstagabend im Mehr-Theater am Großmarkt auftritt. Doppelt so lange, aber für Fußballverhältnisse immer noch kurze vier Minuten brauchte Spitzenreiter Altona 93 am vergangenen Freitag, um im Westderby beim TuS Osdorf das 0:1 in ein 2:1 zu drehen. Das war nicht wenig, sondern ziemlich viel – Trainer Berkan Algan gab seiner Elf nach dem 3:1-Erfolg ein trainingsfreies Wochenende. Keine zwei oder vier Minuten, sondern Lichtjahre entfernt ist Concordia von der Verfassung, die die Marienthaler noch 2016 zum bestaunten Hamburger Herbstmeister gemacht hat. Ist es nun schon zu spät für die Schöneberger-Therapie? „Auch wenn dein leicht ergrautes Haar nicht mehr so voll ist – ich finde, dass du uneingeschränkt toll bist. Männer muss man loben ¬– dann bleiben sie stark, dann bleiben sie oben.“ HAFO-Tipp: Für Cordi-Fans wird das 3:0 vom oben bleibenden Altona zum Letzte-graue-Haare-Ausraufen. Für Eis am Stiel spricht die Wettervorhersage zum Anpfiff (7 Grad Celsius, 80 Prozent Regenwahrscheinlichkeit) allerdings nicht.
„Wir sind wütend, weil die ältere Generation uns die Zukunft vermasselt.“ Sagte Greta Thunberg, als sie am 1. März am Gänsemarkt zum Schulstreik für die Klimarettung aufrief. Klar hat die goldene Jugend alles Recht der Welt, nicht nur die ökologische Unbeweglichkeit der Platzhirschgeneration zu geißeln. In Farmsen und Bönningstedt lässt sich jedoch beobachten, dass es auch nicht unbedingt einfacher wird, wenn die Alten einmal abgetreten sind. Ralf Palapies beim SV Rugenbergen und Christian Woike beim SC Condor hinterließen ihren Nachfolgern große Fußstapfen oder, wie die junge Thunberg wohl sagen würde, einen nachhaltigen ökologischen Fußabdruck. Condors Florian Neumann und Rugenbergens Thomas Bohlen ringen um die Ligarettung ihrer Klubs. Der Unterschied beider Vereine beträgt allerdings nicht nur fünf Punkte, die Rugenbergen derzeit vor Condor liegt. Während die Raubvögel nach der Entlassung von Olufemi Smith einen langen Winter darauf verwendeten, einen Übungsleiter für länger als einen Tag zu finden, kann Thomas Bohlen im Sportzentrum Bönningstedt nach eigenem Empfinden (noch) unbedrängt arbeiten ( https://www.fussifreunde.de/artikel/ich-habe-nicht-das-gefuehl-dass-der-trainer-in-frage-gestellt-wird/). HAFO-Tipp: In der Ruge liegt die Kraft. Condor muss nach der 1:2-Heimniederlage nachhaltig für den Wiederaufstieg planen.
„Wer glaubt, dass seine Probleme durch Technik zu lösen sind, der hat keine Ahnung von Technik und keine Ahnung von seinen Problemen.“ Sagte Laurie Anderson am 27. Februar, als die Performance-Künstlerin mit ihrem Ensemble in der Elbphilharmonie „Scenes from my Radio Play“ vorstellte. Einige Besucher verließen den Großen Saal vorzeitig, weil ihr Kunstsinn mit Anderson wohl ähnlich wenig anfangen konnte wie manch Oberliga-Experte vor dem Saisonstart mit HEBC. Der Aufsteiger muss gleich wieder runter, hieß es oft, und nur weil Pinneberg noch schlechter ist, wird es wenigstens Platz 17 für die Eimsbütteler. Nun, so schlecht war die Performance des Vier-Buchstaben-Klubs bislang nicht – HEBC rangiert, wenn auch knapp, über dem Strich und das letzte Heimspiel gegen BU bot beim 4:4 reichlich Spektakel. Auf Platz 17 findet sich derweil Gegner Wedel, dem der neue Coach Andelko Ivanko jedoch einiges Selbstvertrauen eingeimpft hat. Wir würden nicht so weit gehen wie Ivanko, der die Leistungsfähigkeit seiner Mannschaft als „Osdorf plus Qualität“ beschrieb. Aber wir wagen die Anderson-Prognose: Allein auf Technik zu setzen, wird keiner der beiden Mannschaften bei der Problembewältigung helfen. HAFO-Tipp: Im Gegensatz zur Elbphilharmonie verlässt niemand vorzeitig den Reinmüller-Platz. Wäre ja auch schade, den Treffer zum 4:3-Last-Minute-Sieg der Eimsbütteler zu verpassen.
Schiedsrichter: Stephan Timm (SC Egenbüttel)
FC Teutonia 05 (2) vs. TSV Buchholz 08 (9) – Sonntag, 14:30 Uhr (Hinrunde: 2:2)
Tönsfeldtstraße 2, 22763 Hamburg
„Wir sind modern und gut ausgestattet. Auch das ist ein Grund, uns als Arbeitgeber zu wählen.“ Sagte Ralf Martin Meyer kürzlich als Hamburger Polizeipräsident auf Nachwuchswerbung. Wohl dem Arbeitgeber, dem die Talente aus aller Welt geradezu zufliegen. Wie dem FC Teutonia 05, der inmitten der laufenden Saison in Bilbao (Ander Alday), in Norderstedt (Deran Toksöz) und sogar in der Samtgemeinde Rehden (Francky Sembolo) fischte. Exprofi Sembolo traf jüngst im Spitzenspiel zum 2:1-Sieg beim TSV Sasel, der die teutonischen Ambitionen auf die Ausweitung des Arbeitsgebiets in die Regionalliga Nord aufrecht erhielt. Doch Obacht! Im Hinspiel knipste Buchholz später als die Polizei erlaubt und raubte den Ottensern mit dem 2:2 in der Nachspielzeit noch zwei wertvolle Zähler. HAFO-Tipp: In der Moderne wiederholt sich eigentlich nichts automatisch, an der Kreuzkirche aber doch – Buchholz entführt ein 2:2.
Schiedsrichter: Jorrit Friedrich Eckstein-Staben (SC Wentorf)
„Wir möchten, dass andere Menschen unsere Würde anerkennen.“ Sagte Francis Fukuyama am 5. März, als der kalifornische Politikwissenschaftler in der Hafencity über sein Buch „Identität. Wie der Verlust der Würde unsere Demokratie gefährdet“ diskutierte. Eine seiner Thesen lautet, dass alleine die Gewährung bürgerliche Grundrechte eine heutige Gesellschaft nicht mehr zusammenhalten könne – es brauche andere Formen von kollektiver Identität als den reinen Verfassungspatriotismus, damit Menschen sich in ihrer Würde anerkannt fühlten. Leider haben wir Danny Zankl nicht im Publikum entdeckt, denn wir wären auf seine Entgegnung sehr gespannt gewesen. Der Saseler Trainer braucht zur Anerkennung nicht einmal Punkte, wie er nach der 1:2-Heimniederlage gegen Teutonia 05 verriet: „Wir sind grundsätzlich stolz darauf, dass wir inzwischen in der Oberliga wahrgenommen werden.“ ( https://www.mopo.de/sport/lokalsport/oberliga-teutonia-feiert-party-nach-tor-diaet-32146438) Das kann er sein, auch wenn die bislang häufigste Verbindung von Sasel und Würde, nämlich „Würde Sasel Meister werden ...“, nicht mehr so oft gehört werden dürfte. Gehör verschafft hat sich der Meiendorfer SV, als er nach der rassistischen Beleidigung eines Spielers aus den Zuschauerreihen von Barmbek-Uhlenhorst den Platz verließ. Am gestrigen Mittwoch verhängte das Sportgericht dafür 150 Euro Strafe, die der MSV wohl als Kosten für seine Zivilcourage akzeptieren wird. Ist Würde wirklich nicht billiger zu haben? HAFO-Tipp: Sasel findet mit einem 2:0-Derbysieg zurück in die Spur.
Schiedsrichter: Dennis Voß (TuS Dassendorf)
Regionalliga Nord, 25. Spieltag:
FC Eintracht 03 Norderstedt (14) vs. TSV Havelse (16) – Sonnabend, 14 Uhr (Hinrunde: 1:0)
Ochsenzoller Straße 58, 22848 Norderstedt
HAFO-Tipp: 1:1
Schiedsrichter: Jost Steenken (Vorwärts Nordhorn)
Hannover 96 II (7) vs. FC St. Pauli II (12) – Sonntag, 13 Uhr (Hinrunde: 0:1)
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