12.05.2019 Angst essen Seele auf: Altona zittert sich zur Meisterschaft von Andreas Killat
vs.
SC Condor – Altona 93 1:2 (1:2)
SC Condor: Lenz – Choi, Klammer (88. Laban), Niederstadt, Osinski (52. Vinberg) – Daudert, Pahl – Vass, Dikenli (80. Sousa), Löw – Schwoy Altona 93: Grubba – Yilmaz, Atug, Saglam – Wachowski, Schultz – Monteiro (72. Tüter, 90. Kunter), Metidji, Gebissa, Siebert – Vojtenko (90.+3 Asani) Tore: 0:1 Wachowski (11.), 1:1 Löw (26.), 1:2 Lenz (28., ET) Schiedsrichter: Henry Wagner (GW Eimsbüttel): Bei einigen Fouls/Zweikampfsituationen sehr großzügig, das galt aber für beide Teams. Nur drei Minuten Nachspielzeit waren angesichts der vielen Verletzungsunterbrechungen etwas wenig. Für das Pokalfinale, wo er als Assistent an der Linie steht, wünscht HAFO ihm alles Gute. Beste Spieler: Klammer, Daudert – Wachowski, Metidji, Saglam Zuschauer: 350 Zahlende (insgesamt ca. 420)
Was für ein Jubel am Berner Heerweg nach dem Abpfiff – dabei waren die Raubvögel gerade erstmals seit 28 Jahren abgestiegen. Doch für die Tränen der Verlierer blieb kein Platz, die Anlage war fest in den Händen der ca. 300 mitgereisten AFC-Fans. Und die tanzten, sangen und feierten mit ihren Helden überschwänglich die erste Hamburger Meisterschaft seit 69 Jahren.
Wie schon letzte Woche gegen Rugenbergen war es auch heute ein reines Nervenspiel. Über weite Strecken der Partie war die „Angst“ in Reihen der Ottensener förmlich spürbar. „Safety first“ lautete das Motto – sinnbildlich dafür die Szene zwanzig Minuten vor dem Ende, als bei einer Condor-Ecke alle (!) zehn Feldspieler des designierten Meisters im eigenen Strafraum standen (70.). Nur nichts riskieren – und so zog sich die gesamte Begegnung ab dem 2:1 (28.) zäh wie Kaugummi dem Ende entgegen. Hohe Ballkontrolle, viele Sicherheits-Querpässe und kaum einmal ernsthafte Angriffsbemühungen.
Dabei hatte es so gut angefangen. William Wachowski zirkelte das Leder nach tollem Zuspiel von Hischem Metidji gekonnt aus 14 Metern halbrechter Position ins lange Eck zum 0:1 (11., siehe Foto). Doch die Hausherren, heute mit einer absoluten Not-Truppe auf dem Platz (u.a. ohne Ilic, Bulut, Facklam und Cholevas – dafür mit den „Alte-Herren-Kickern“ Przemyslaw Osinski und Markus Schwoy in der Startelf), zeigten Charakter und markierten nach einer zu kurz geratenen Rückgabe von Eudel Monteiro durch Michael Löw den Ausgleich (26.). Keeper Tobias Grubba sah dabei nicht besonders glücklich aus.
William Wachowski (Nr. 5) erzielt das 1:0. Foto: André Matz
Noch schlechter sah dann allerdings 100 Sekunden später sein Gegenüber Stanislaw Lenz aus. Nach einer Ecke von Onur Saglam war Marco Schultz noch leicht mit dem Kopf dran (siehe Foto), doch Lenz boxte sich die Kugel ins eigene Netz (28.). Mit einem Eigentor zur Meisterschaft! Egal!
Schultz (r.) köpft, anschließend boxt sich Keeper Lenz (l.) den Ball selbst ins Netz. Foto: André Matz
Die restliche Stunde Spielzeit hatte Altona nur noch ein Ziel: Irgendwie (mit Ballbesitzfußball) den Schlusspfiff erreichen. Zwar gab es noch Chancen für den zur Beruhigung der Nerven dringend erforderlichen dritten Treffer, doch Gebissa scheiterte zweimal freistehend (61./67.). Da Altona nichts mehr riskierte, wurde Condor mutiger. Löw mit einem Schlenzer (55.) und Ronald Vass nach einem Einwurf von Choi (nebst gefährlicher Kopfballverlängerung nach hinten von Seyhmus Atug, 78.) hatten das 2:2 auf dem Fuß. Große Hektik auf der AFC-Bank, immer wieder schrie Berkan Algan Anweisungen ins Feld („Willo, nicht nach vorne, bleib hinten“). „Die haben die Hosen gestrichen voll“, so der Kommentar eines Zuschauers. Aber so ist das eben, wenn man so kurz vor dem Ziel steht. Da bekommen selbst die besten Techniker wackelige Beine.
Die „Raubvögel“ wollten sich vernünftig aus der Oberliga verabschieden – und hatten sichtlich Spaß daran, den Favoriten zu ärgern. Und hätte „Oldie“ Markus Schwoy seinen Freistoß aus dem rechten Halbfeld nicht um Zentimeter am zweiten Pfosten vorbeigezogen (81.), wer weiß, ob Teutonia dann nicht die Steilvorlage genutzt hätte. Doch dazu kam es nicht mehr. Nach nur drei Minuten Nachspielzeit (es hätte gut und gerne auch sechs, sieben Minuten geben dürfen) war der (Zitter-)Sieg und die Meisterschaft perfekt. HAFO gratuliert herzlich und schickt dicke Glückwünsche an Berkan Algan & Co.!
Stimmen:
Berkan Algan (Trainer Altona 93): Der Druck war natürlich enorm. Aber durch die vielen Verletzungen mussten wir einige Umstellungen vornehmen, da kamen ganz viele kleine Faktoren zusammen, die zur Unsicherheit beigetragen haben. Aber wir wollten heute mit aller Macht diesen tollen Fans und diesem tollen Verein die Meisterschaft widmen. Das haben wir geschafft, diese Mannschaft ist einfach toll. Damit haben wir unser Hauptziel erreicht – und ich hoffe, dass wir das i-Tüpfelchen (Aufstieg in die Regionalliga) nachlegen können. Jetzt freuen wir uns aber erstmal auf unser letztes Heimspiel, da werden wir verdientermaßen gemeinsam die Meisterschaft feiern. Das haben uns zu Saisonbeginn nicht viele zugetraut, aber ich wusste ganz genau, was diese Truppe kann. Ich bin unglaublich stolz auf meine Jungs. Auch für mich mit meinen jungen Trainerjahren ist das etwas ganz besonderes. Wir widmen die erste Meisterschaft seit 69 Jahren ganz besonderes Volker Kuntze-Braack, der gesundheitlich leider schwer angeschlagen ist und so lange auf diesen Titel warten musste. Er ist ein unheimlich wertvoller Mensch. Eine Siegermedaille geht direkt zu ihm ins Krankenhaus. Vielen Dank an alle Menschen, die uns so toll unterstützt haben.
Florian Neumann (Trainer SC Condor): Wenn wir immer so wie heute aufgetreten wären, dann wären wir nicht abgestiegen. Auch wenn wir heute verloren haben, haben wir uns sehr vernünftig aus der Liga verabschiedet. Condor ist mein Verein, das war hier immer mehr als nur Fußball. Mich überkommt eine große Traurigkeit und es nervt und schmerzt sehr, dass wir nun erstmals seit 28 Jahren abgestiegen sind. Das hätte verhindert werden können, aber die Fehler wurden schon in der Vergangenheit vor 20 Monaten gemacht, vor allem mit der Kaderzusammenstellung. Es tut sehr weh, der verantwortliche Trainer für den Abstieg zu sein.
Statistik: Gesamt-Punktspiel-Bilanz aus Sicht des Gastgebers (seit 1957): 32 Spiele: 8 Siege, 6 Remis, 18 Niederlagen, 43:63 Tore
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