30.08.2019 Das Spiel, dass es nie gab von Mirko Schneider
vs.
Hamm United FC – SV Curslack-Neuengamme 1:0 (1:0) Abbruch
Hamm United FC: Graudenz – Kauth, Mankumbani, Panata Tomaz, M. Cholevas – Schwarck – Schirosi, Kamalow (64. Rahn) – Tafese, Landau – D`urso SV Curslack-Neuengamme: Babuschkin – Brudler, Spiewak (46. Schlufter), Franz – Kühn, Iscan, Bannasch, Wilhelm – Rogge – Schubring, Bambur Tore: 1:0 Landau (21., Vorarbeit Tafese) Besonderes Vorkommnis: Nach 70 Minuten und zehn Sekunden Spielzeit fiel das Flutlicht gegenüber der Tribüne komplett aus. Schiedsrichter Marco Kulawiak brach die Partie nach 20 Minuten Wartezeit ab. Schiedsrichter: Marco Kulawiak (SC Teutonia 10): Nur wenige kleine Fehler in einem allerdings leicht zu leitenden Spiel. Der Abbruch war absolut korrekt. Insgesamt ein guter Auftritt. Beste Spieler: Schirosi, Mankumbani – Kühn (2. Hz) Zuschauer: 220
Wir alle streichen ab und an bestimmte Vorkommnisse aus unserem Gedächtnis. Scheiße verhalten gegenüber der Partnerin? Ich doch nicht! Schludrig gewesen auf der Arbeit? Würde mir nie im Leben passieren! Bin die personifizierte 100-Prozent-Einsatzmarke! Und dann erst der erste Sex. Der war…na, reden wir über was anderes. Über Fußball zum Beispiel. Da er die Gesellschaft spiegelt (pling!), findet sich natürlich auch bei unser aller Lieblingssport eine Analogie zum übrigen, nicht ganz so wichtigen Leben außerhalb des Rasenrechtecks. So fand heute im Hammer Park eine Begegnung statt, die in keiner Statistik erfasst wird, weil sie offiziell nie stattgefunden haben wird. Für das heute Abend zu gut zwei Dritteln ausgetragene Duell zwischen Hamm United und dem SV Curslack-Neuengamme, welches wegen eines Flutlichtausfalls so sicher wie das Amen in der Kirche bald noch einmal von vorne beginnt, gelten die letzten Worte von Ethan Hawke in der hervorragenden Verfilmung des Charles-Dickens-Literaturklassikers „Große Erwartungen“: „Es war, als ob es nie gewesen wäre. Es gab nur meine Erinnerung daran.“
Diese Worte wird sich, wenn sie größer ist, vermutlich Aurelia sagen. Die Tochter von Hamms Physiotherapeutin wurde vor dem Spiel in einer rührenden Geste der Gastgeber auf den Rasen gebeten, um dort eine Schultüte von ihren Lieblingsspielern Alessandro Schirosi und Jan Landau entgegenzunehmen. Schließlich beginnt für die kleine, nun eingeschulte Aurelia nun der Ernst des Lebens, da können ein paar Naschereien nicht schaden.
Süße Geste vor dem Spiel: Aurelia bekommt zur Einschulung eine Schultüte von einem ihrer "Idole" (Alessandro Schirosi, m.) übergeben. Foto: Olaf Both
Seinen eigenen Fans versüßte Hamm United nach Aurelias Bescherung fast die komplette erste Hälfte. Die Gastgeber fanden gut ins insgesamt etwas fade Spiel, während die Gäste aus Curslack ihre Pokalform von Anfang des Monats http://www.hafo.de/news/fullnews.php?id=6420) komplett vermissen ließen. Eine ganze Flut von ungenauen langen Bällen sendete der SVCN Richtung Offensive. Entweder landeten die Pässe gleich im Nirwana oder „Zweikampfmonster“ Sebastien Mankumbani klärte in der Zentrale resolut.
Richtigen Fußball spielte nur eine Mannschaft: Hamm United! Der Aufsteiger aus dem Hammer Park hätte vor dem tatsächlichen 1:0 bereits führen können. Der sehr agile Alessandro Schirosi bugsierte den Ball aus dem linken Halbfeld butterweich zu Maurizio D`urso in den Strafraum, dessen Ablage rutschte Raffael Kamalow aus spitzem Winkel über den Spann (14.). Einfacher hatte es da Jan Landau als letztes Glied in der Verwertungskette eines mustergültigen Konters gegen die weit aufgerückte Curslacker Abwehr. Entscheidend dabei: ein schöner Pass von D`urso durch die linke Schnittstelle der Dreierkette. Tevin Tafese raste daraufhin alleine auf Curslacks Keeper Gianluca Babuschkin zu, legte quer zum Ex-Curslacker Jan Landau und der schoss den Ball aus sieben Metern ins leere Tor (21.).
Torschütze Jan Landau (l., hier mit dem Vorlagengeber Tevin Tafese) jubelt umsonst. Foto: Olaf Both
Die Chance, auf 2:0 zu erhöhen, vergab Schirosi nach herrlichem Zuspiel von Marcel Schwarck aus ebenso spitzem Winkel wie Kamalow (33., Außennetz).
Curslack wusste bis dato ja noch nicht, dass dieser Partie im Nachhinein ja gar kein Realitätsgehalt zugestanden werden wird. Ansonsten hätte man vermuten müssen, die Gäste sparten ihre Kräfte für das Wiederholungsspiel. Nach geschlagenen 43 Minuten tauchten sie endlich gefährlich vor dem Hammer Tor auf, das einzige Mal in Hälfte eins. Bezeichnenderweise nach flachen Kurzpässen durchs Zentrum und einer guten Verlagerung nach außen. Also mit einem Mittel, das sie selbst die ganze Zeit gemieden hatten. Die sehr starke Flanke von Witalij Wilhelm verpassten in der Mitte mehrere Curslacker nur ganz knapp.
In der zweiten Hälfte änderte sich das Bild ein wenig. Hamm stellte sich etwas tiefer, Curslack übernahm die Spielkontrolle. Wirklich glänzen konnten die Blauen dabei immer noch nicht. Doch Hamm spielte seine durchaus vorhandenen Kontersituationen jetzt zum einen schlechter aus und verlor zum anderen etwas den Zugriff auf die nun wenigstens engagierten Gegenspieler. So kam Curslack zu Chancen. Moritz Kühn flankte hervorragend auf Marco Schubring, der Top-Goalgetter der Oberliga Hamburg köpfte aus drei Metern drüber (52.). Abermals Kühn konnte den Ball per Grätsche nach einem starken Gegenstoß, hervorgegangen aus einer Hammer Ecke, auf Pass von Florian Rogge nur noch ans Außennetz bugsieren (64.). Einen Freistoß von Wilhelm köpfte Jan Bannasch im Zentrum aus guter Position so wie Schubring nur knapp über das Gehäuse (66.).
Doch die Frage, ob Curslack sich noch einen Punkt verdienen würde, stellte sich plötzlich nicht mehr. Nach 70 Minuten und zehn Sekunden Spielzeit erlosch das Licht der drei Flutlichtmasten gegenüber der Tribüne. Erinnerungen an den 16. November 2018 wurden wach http://www.hafo.de/news/fullnews.php?id=6318 Aber Heldentum ist nicht beliebig abrufbar und heute mutierte Platzwart und Stadionsprecher Detlev Meyer nicht zum Flutlicht-Gott. „Das Vorschaltgerät der Flutlichtanlage ist durchgeschmort“, teilte Meyer dem Schiedsrichter-Gespann nach 15 Minuten mit. In seinen Worten „Da müsste eigentlich ein Elektriker ran, aber wir versuchen es jetzt noch mal“ lag trauriger Zweifel, ob das zu schaffen sei.
Platzwart Detlev Meyer (2. v. r.) erklärt den Beteiligten was genau passiert ist. Foto: Olaf Both
Fünf Minuten später war klar: keine Chance! Somit beendete Marco Kulawiak das Spiel.
Dem guten Schiedsrichter Marco Kulawiak (r.) blieb nichts anderes übrig, als die Partie abzubrechen. Foto: Olaf Both
Auf den Gesichtern der Hammer Spieler war die Enttäuschung ablesbar. Immerhin versuchte Jan Landau, nun Nicht-Torschütze, die Sache einigermaßen locker zu nehmen. Er klatschte herzlich mit einigen seiner Ex-Kollegen ab und sagte „Wir sehen uns ja bald wieder“.
Aber was bleibt von diesem Spiel? Vielleicht ja vor allem ein schöner Abend für die kleine Aurelia. Und ganz ehrlich: Da es dieses Spiel gar nicht gegeben hat, warum sollte das kleine Mädchen beim Wiederholungsspiel nicht eine weitere Tüte mit Leckereien erhalten? Für den ersten Schultag zweimal von ihren Helden beschenkt zu werden – das vergisst Aurelia sicher nie mehr.
Daniel Grosse (Co-Trainer SV Curslack-Neuengamme): In der ersten Halbzeit wollten wir nur mit langen Bällen spielen. Das war genauso angesagt. Spaß beiseite, mit der ersten Halbzeit waren wir komplett unzufrieden. Denn wer bei uns in der ersten Halbzeit den Ball hatte, der war die ärmste Sau. Hamm hat das Anlaufen in der ersten Linie gut gemacht. Dahinter gab es aber Lücken. Die haben wir nur überhaupt nicht genutzt. Denn um da Leute anzuspielen, müssen die sich halt auch mal aus dem Deckungsschatten heraus bewegen. Wir waren in der ersten Hälfte auch überhaupt nicht kompakt im Zentrum vor der Abwehr. Dazu haben wir die Zweikämpfe nicht geführt. Hamms Führung war völlig verdient. In der zweiten Halbzeit wollten wir mutiger und aggressiver sein. Es wurde auch besser, wir haben uns dann auch Chancen erspielt. Tja, und dann ging das Licht aus. Das war ein kurioses Ende. Ich habe das als Spieler und Trainer bislang noch nicht erlebt. Für uns bei dem Spielstand sicher ein glücklicher Moment. Wobei ich erklären kann, dass ich nicht am Schalter war. Und auch sonst kein anderer Curslacker. Und es wäre mir auch lieber gewesen, wir hätten das in 90 Minuten regulär zu Ende spielen können. Das, was jetzt passiert ist, ist sicherlich für uns alle unangenehm. Ich komme wirklich immer gerne hier. Aber kann schon sein, dass einige bei uns etwas genervt sind, wenn wir dann in spätestens 14 Tagen noch mal hier spielen müssen.
Sidnei Marschall (Trainer Hamm United FC): Ich kann mich diesen Worten anschließen. Wir waren mit unserer ersten Halbzeit sehr zufrieden. Wir wussten aus dem Pokalspiel, wie Curslack ungefähr spielt. Wir wollten sie nicht spielen lassen, das ist uns gut gelungen. Hätten wir zur Pause statt 1:0 mit 2:0 oder 3:0 geführt, wäre das glaube ich durchaus verdient gewesen. Nach dem Wechsel haben wir zu schnell die Bälle hergeschenkt. Es wurde ein, zweimal sehr gefährlich vor unserem Tor. Unsere Konter haben wir nicht gut ausgespielt. Und dann war das Licht aus. Echt bitter! Wirklich schade! Ich hatte das Gefühl, wir gewinnen das Spiel heute. Aber es ist nun mal so, wir können auch niemandem die Schuld geben. Alles, was wir machen können, ist, die Leistung der ersten Halbzeit in spätestens 14 Tagen zu wiederholen. Wir müssen das einfach nochmal auf den Platz bringen – und dann das Spiel gewinnen.
Statistik: Gesamt-Pflichtspiel-Bilanz aus Sicht des Gastgebers (seit Vereinsgründung 2005): 3 Spiele, 1 Sieg, 0 Remis, 2 Niederlagen, 5:6 Tore
Sofern nicht anders gekennzeichnet, sind alle Texte, Grafiken, Videos und Fotos Eigentum von www.hafo.de. Anderweitige Verwendung nur mit vorheriger Genehmigung.