Irgendwie war heute alles anders in Niendorf. Liga-Manager Carsten Wittiber und Team-Managerin Andrea Arp waren ebenso abwesend, wie die beiden Co-Trainer Matthias Jobmann und Jörg Steinbach. Auch am Kiosk herrschte Personalnot: „Die Mädels haben verschlafen und schaffen es heute nicht“, seufzte Betreuer Hans Krüger, der sich deswegen zusammen mit Marcus Scholz („Eigentlich bin ich gar nicht hier“) um alles alleine kümmern musste. Kein Wunder, dass sich in dieser Hektik diverse Fehler in die Mannschaftsaufstellung schlichen (Schön, Mandic und Qestai hatten falsche Rückennummern).
Dieses wilde Durcheinander setzte sich auch im Spiel fort bzw. sogar schon kurz vorher. Denn beim Aufwärmen musste Oliver Doege verletzt passen. Dafür rückte Dennis Thiessen in die Startelf, der eigentlich wegen einer Erkältung geschont werden sollte. „Aber für ein Tor wird es schon reichen“, bewies der NTSV-Kapitän gegenüber dem HAFO-Redakteur hellseherische Fähigkeiten.
Der Anpfiff war kaum ertönt, da stand Vedat Düzgüner nach 20 Sekunden schon alleine vor Keeper Briant Alberti, vergab aber zu überhastet. Nur eine Minute später haute Lennart Merkle eine Thiessen-Flanke aus sechs Metern über das Gehäuse (2.). Und so ging es munter (und wild) weiter. Meiendorf wurde förmlich überrollt, ließ aber zunächst auch jegliche Einstellung vermissen (symptomatisch dafür: In der Halbzeitpause tummelten sich die fünf Auswechselspieler lustlos auf der Ersatzbank, statt sich warmzumachen). Die Hausherren kannten nur eine Richtung: Attacke nach vorne. Daniel Brückner hat offensichtlich eine innere Uhr, denn wie schon gegen Rugenbergen erzielte „Bohne“ auch heute exakt zur gleichen Zeit den 1:0-Führungstreffer (7.). Und auch für Düzgüner gab es ein Déjà-vu: Genau wie sein 6:1 gegen Rugenbergen, tauchte „Vedu“ auch heute knapp oberhalb der Grasnarbe hinunter und beförderte die Kugel nach einer tollen Flanke von Thiessen via Flugkopfball zum 2:0 in die Maschen (17.). „Das sind meine Dinger“, jubelte der ca. 1,65m „große“ Flügelflitzer schelmisch.
Merkle (16.), Ilyas Afsin (29.) und Marvin Karow (33.) hatten weitere gute Chancen, bevor schließlich die „Prophezeiung“ von Thiessen eintrat: Ecke Düzgüner auf den zweiten Pfosten, von dort bringt Fynn Huneke die Kugel mit den Kopf zurück auf den ersten Pfosten und „Thiessi“ drückt das Ding mit der Stirn zum 3:0 ins Netz (34.). Kurz danach war dann verletzungsbedingt Schluss (39.). „Der Oberschenkel hat zugemacht“. Ohne die Nummer 31 im Zentrum wurde Niendorf danach deutlich anfälliger. Statt 5:0 hätte es zur Halbzeit nämlich fast 3:1 gestanden, doch Michael Sara köpfte einen Ganitis-Freistoß nur an den Pfosten (41.).
Nach der Pause nahm dann auch der MSV am Geschehen teil und binnen weniger Minuten gab es für die (wenigen) Zuschauer insgesamt sieben dicke Chancen zu sehen. Eine schöne Kombination über Brückner und Merkle endete bei Düzgüner, der freistehend aus 16 Metern nur ein MSV-Abwehrbein traf (46.). Die nächste grandiose „Bohne(n)-Flanke“ fast von der linken Eckfahne köpfte Lawrence Schön am zweiten Pfosten völlig blank drüber (51.) und auch Brückner selbst hatte einen weiteren Treffer auf dem Fuß, scheiterte aber an Alberti (52.). Wer mitgezählt hat, kommt auf 3:0-Chancen für die Hausherren nach dem Wiederanpfiff (binnen sieben Minuten). Doch jetzt waren die Gäste an der Reihe: Flanke Özgür Bulut und Ganitis köpft an die Latte (53.). Damit nicht genug des Unglücks, denn nach einer Ecke von Ganitis köpfte auch Tatsis an den Querbalken (55.). Dreimal Aluminium! Zu diesem Zeitpunkt hätte es locker auch schon 7:4 stehen können.
Und so ging es auch weiter. Flanke Brückner (wo holt der Mann nur immer wieder diese geilen Dinger her?), Kopfball Düzgüner, Alberti pariert (57.). Ein technisches Kabinettstück lieferte auch Theo Ganitis ab: Aus dem Lauf heraus lupfte er den Ball aus neun Metern über Keeper Kindler hinweg zum 1:3 unter die Latte (64.). Großes Kino. Für ein paar Minuten hätte die Partie nun kippen können (man denke auch zurück an die drei Aluminium-Treffer), doch dann sorgte ein schlecht ausgeführter MSV-Freistoß für die Vorentscheidung. „Den Ball spielen wir viel zu kurz dem Gegner in die Füße und dann unterbinden wir den Konter nicht. Das war der Knockout“, so MSV-Coach Baris Saglam nach dem Abpfiff. Karow schickt mit einem tollen Ball aus dem Zentrum Afsin auf die Reise, der vom rechten Flügel rüber auf links flankt, wo Brückner (wer sonst?) ein paar Meter macht und dann quer in die Mitte für Merkle auflegt, der aus 12 Metern „nur noch“ zum 4:1 einzuschieben braucht (71.).
Dieser 10-Sekunden-Konter machte Laune, Szenenapplaus am Sachsenweg! Doch im Gefühl des sicheren Sieges wurde Niendorf nachlässig. Das 2:4 durch Tolga Tüter, bis dahin wirklich komplett abgemeldet und ohne jeden Torschuss, nahm man noch ohne große Aufregung zur Kenntnis (87.). Doch als Ganitis einen Freistoß aus 18 Metern halbrechts zum 3:4 in die Maschen knallte (90.+4), wurden die Magenschmerzen bei Farhadi schon größer. Aber zu Glück für die Hausherren pfiff Referee Lassen direkt danach ab.
Ein wildes Spiel mit grob geschätzt 12:8 Torchancen. In den letzten beiden Heimspielen haben die Niendorfer damit mehr Treffer erzielt, als vorher insgesamt bis zum 7. Spieltag. Und für Meiendorf war es im sechsten Auswärtsspiel die sechste Niederlage.
Stimmen:
Baris Saglam (Trainer Meiendorfer SV): Die erste Halbzeit ist nicht erwähnenswert, da haben wir das Spiel fast verweigert. Es war die gleiche Startelf wie im Pokal gegen Curslack (bis auf den Torhüter). Keine Ahnung, ob die Jungs nervös waren, oder woran es gelegen hat. Eigentlich wollten wir unsere Leistung von Mittwoch bestätigen, aber wir haben zu viele einfache Fehler gemacht. Über die Einstellung in der ersten Hälfte wird noch zu reden sein. Trotzdem muss ich meine Mannschaft in Schutz nehmen. Viele Spieler haben einfach noch keine ausreichende Spielpraxis. Nach der Pause war das deutlich besser. Leider haben wir dreimal das Aluminium getroffen. Wenn wir da etwas mehr Spielglück haben, wäre hier heute Minimum ein Punkt drin gewesen. Nach dem 1:4 haben die Jungs Charakter bewiesen, die Partie nicht abgeschenkt, sondern weiter alles versucht. Auf diese positiven Elemente werden wir aufsetzen.
Ali Farhadi (Trainer Niendorfer TSV): In der ersten Halbzeit haben wir das richtig gut gespielt, hatten alles im Griff. Nach der Pause haben wir uns etwas zu weit zurückgezogen und hatten zum Ende hin einfach zu viele Ballverluste im Zentrum. Dadurch kam Meiendorf immer wieder zu Chancen und wir kriegen noch drei dämliche Gegentore. Wir wussten, dass der MSV vor allem bei Standards gefährlich ist, trotzdem verursachen wir im Minutentakt Freistöße. Auch wenn wir Chancen für sieben, acht Tore hatten, wäre ich mit den vier erzielten zufrieden gewesen. Aber diese drei Gegentore ärgern mich. Das darf uns nicht passieren, das MUSS man souveräner nach Hause spielen. Das werden wir nochmal aufarbeiten. Unterm Strich aber ein verdienter Sieg für uns. Nach der Pokalniederlage war es wichtig, heute zu gewinnen.
Statistik: Gesamt-Punktspiel-Bilanz aus Sicht des Gastgebers (seit 1949): 25 Spiele: 10 Siege, 4 Remis, 11 Niederlagen, 44:43 Tore
Sofern nicht anders gekennzeichnet, sind alle Texte, Grafiken, Videos und Fotos Eigentum von www.hafo.de. Anderweitige Verwendung nur mit vorheriger Genehmigung.