30.04.2022 Premiere, Abschied und Comeback von Andreas Killat
präsentiert:
vs.
Niendorfer TSV – SV Curslack-Neuengamme 1:0 (1:0)
Niendorfer TSV: Grubba – Behrmann (39. Speck), Janha, Krüger, Yago – Fedai – Meyer (82. Kutschke), Zarei, Gries (82. Utz) – Ahmadi (68. Casale), Merkle (46. Streubier) SV Curslack-Neuengamme: Babuschkin – Mokhlis, Spiewak, Mohr (68. Mankumbani), Wilhelm – Doege, Rogge – Bulut (63. Schmidt), Behrens, El-Nemr – Janelt (89. Franke) Tore: 1:0 Gries (5.) Rote Karte: Zarei (14., Notbremse) Schiedsrichter: Johannes Mayer-Lindenberg (HTB): Die Rote Karte war berechtigt, viele andere Entscheidungen eher zweifelhaft (Spiewak fragt sich vermutlich immer noch, warum er für einen gewonnenen Zweikampf Gelb bekommen hat). Beste Spieler: Grubba, Krüger – Wilhelm, Doege, Spiewak Zuschauer: 70
„Der Fußball schreibt ja manchmal solche Geschichten“, verriet Torsten Henke seinen Beweggrund für die Einwechslung des 48jährigen (!) Lars Franke kurz vor Schluss: „er war schon 2003 bei unserem 5:2-Sieg hier dabei und hat sich heute als Ersatzspieler zur Verfügung gestellt. Ich hatte gehofft, ihm fällt der Ball vor die Füße und er macht das Tor“. Fast wäre es tatsächlich genau so passiert, aber Franke scheiterte in der fünften Minute der Nachspielzeit an NTSV-Keeper Tobias Grubba. „Mir fehlt in meinem Alter die Kraft in den Beinen, sie ist einfach nicht mehr so da, wie vor 20 Jahren“, trauerte Franke der Chance bei seinem Comeback hinterher.
Lars Franke feierte sein Comeback als Oberligaspieler. Foto: Hanno Bode
Doch im Vordergrund stand heute natürlich der Abschied von Christian Woike. „Es war sehr emotional, schon bei der Ansprache in der Kabine“. Nach dem Spiel im Mannschaftskreis flossen sogar kurz ein paar Tränen – HAFO meint: „Crille, Du wirst uns allen fehlen, mit Deinem Humor, Deiner Energie und Deiner Menschlichkeit. Danke!“.
Zwei Trainer, eine Meinung. Foto: Hanno Bode
Beide Teams hatten heute mit vielen Ausfällen zu kämpfen, so fehlten bei den Hausherren unter anderem Daniel Brückner, Fynn Huneke und Jesse Osei, während den Gästen zum einen drei schwere Spiele in fünf Tagen in den Knochen steckten und zum anderen mit Marco Schubring, Arnold Lechler, Yanneck Schlufter und Moritz Kühn wichtige Spieler nicht zur Verfügung standen. Ganz zu schweigen vom Fitnesszustand der Anwesenden. Doch trotz dieser Voraussetzungen entwickelte sich überraschenderweise eine Partie auf Augenhöhe.
Nach der frühen Führung für den NTSV, als Michael Gries ungestört vor dem Strafraum kreuzen und aus 15 Metern in den rechten Giebel abschließen durfte (5.), schien alles seinen erwarteten Gang zu nehmen. „Wenn Du eh schon auf dem Zahnfleisch daherkommst, ist so ein frühes Gegentor natürlich Gift“, schwante Henke nichts Gutes. Doch Hassan Zarei holte die Gäste wieder zurück ins Match. Pascal El-Nemr war mit viel Tempo Richtung Sechzehner unterwegs, als Zarei ihn wenige Zentimeter vor der Strafraumgrenze von hinten in die Parade fuhr (11.). Schiedsrichter Mayer-Lindenberg ließ sich viel Zeit bei seiner Entscheidung, wartete erst die dreiminütige Behandlungspause von El-Nemr ab, beratschlagte sich mit seinem Assistenten – und zückte dann „Rot“ (14.). Auch wenn es einige Niendorfer Offizielle nicht wahrhaben wollten, die Hinausstellung war alternativlos. El-Nemr wäre allein auf Grubba zugesteuert. Den fälligen Freistoß knallte Corvin Behrens in die Mauer. „Aus so einem Standard musst Du mehr machen“, war Henke unzufrieden.
Niendorfer Jubel nach der frühen Führung (5.). Foto: Hanno Bode
Durch die Niendorfer Unterzahl war das Kräfteverhältnis auf dem Platz „ungefähr ausgeglichen“, wie Henke meinte, während Manager Oliver Schubert hoffte: „Einer muss noch runter“. Tatsächlich war von einem echten Vorteil für die Gäste nicht viel zu sehen, immer wieder startete der NTSV schnelle und vielversprechende Angriffe. Doch diese wurden entweder ganz schlecht zu Ende gespielt, oder die Aktionen endeten in Ballverlusten. „Wir verlieren jeden Scheißball“, war Farhadi stocksauer, „solche Konter müssen wir besser ausspielen, wenn wir da das zweite oder dritte Tor machen, ist Curslack erledigt“. Stattdessen wäre noch vor der Pause fast der Ausgleich gefallen, aber nach einer Ecke von Witalij Wilhelm strich der Kopfball von Sebastian Spiewak knapp links vorbei (36.).
Nach der „doppelten Kabinenansprache“ des Curslacker-Trainerduos erwischten die Vierländer den besseren Start in die zweite Halbzeit. Nach schöner Hereingabe von Özgür Bulut hatte Vincent Janelt das 1:1 auf dem Fuß, nagelte die Kugel aber aus kurzer Distanz an die Latte (46.). „Das MUSS ein Tor sein“, trauerten Henke und Woike – und konnten ein paar Minuten später die gleiche Platte nochmal auflegen. Florian Rogge hatte einen Eckball gaaanz weit auf den zweiten Pfosten gezogen, wieder war Spiewak mit dem Kopf zur Stelle – doch Tim Krüger rettete auf der Linie (54.). Bei dieser Aktion wurde Jannik Mohr im Tornetz liegend unter Krüger begraben und musste anschließend minutenlang mit blutender Nase behandelt werden. Ein paar Minuten versuchte es der Innenverteidiger noch, musste dann aber doch ausgewechselt werden (68.).
Schwer gezeichnet: Jannik Mohr. Foto: Hanno Bode
In der Schlussviertelstunde fanden dann auch die Hausherren wieder zurück ins Match, erst scheiterte Gries an Babuschkin (78.), dann zimmerte er das Leder aus 16 Metern an den Pfosten (81.). Auf der Gegenseite rettete im direkten Gegenzug erneut Krüger auf der Linie (Janelt hatte geköpft, 82.). Ein Wahnsinn, der noch nicht zu Ende war. Curslack warf alles nach vorne, mobilisierte ungeahnte Kräfte, während die Gastgeber 75 Minuten lang in Unterzahl aufopferungsvoll kämpften. Zum dritten Mal hatte Spiewak mit dem Kopf den Ausgleich vor Augen (nach 40-Meter-Flanke von Wilhelm), doch Grubba fischte den Ball sensationell aus dem Winkel (86.). In der Nachspielzeit dann Spiewak zum Vierten: Wieder Wilhelm mit einem langen Diago-Ball genau auf den Schädel des Innenverteidigers, diesmal klatschte das Spielgerät an die Latte – und im Nachsetzen rettete Grubba gegen Mankumbani (90.+2).
"Oldie" Lars Franke hatte zwei weitere Gelegenheiten, doch seine beiden Schussversuche landeten neben dem Tor (90.+3) bzw. wurden sichere Beute von Grubba (90.+5). Danach war Schluss - und Niendorf riss jubelnd die Arme hoch. Mit nun 28 Punkten ist man bis auf drei Zähler an Dassendorf herangerückt (hat allerdings auch eine Partie mehr absolviert). Es könnte am 13. Mai also noch ein echtes Finale am Wendelweg geben...
Stimmen:
Christian Woike (Trainer SV Curslack-Neuengamme): Meine Mannschaft tut mir heute leid. Nach diesem Programm (vier Spiele in 7 Tagen) war das schon eine außergewöhnliche Leistung. Einen Punkt hätten wir auf jeden Fall verdient gehabt. Wir mussten zwei angeschlagene Spieler und einen 48jährigen einwechseln. Charakterlich war das ein Superspiel von uns. Für mich ist das sehr emotional heute. Der Hamburger Amateurfußball hat mir so viel gegeben und war ein Stück Lebensinhalt. Ich war sehr gerne Spieler und Trainer, habe versucht, Spieler zu entwickeln, besser zu machen und ihnen ein Stück Menschlichkeit auf den Weg zu geben. Das ist ein harter Cut jetzt, aber selbst gewählt. Es gibt in diesen Zeiten deutlich schlimmere Schicksale. Nach 20 Jahren kennt man so viele Leute und ich habe so viele tolle Menschen kennengelernt…einfach toll. Mein Handy stand nicht still, ich habe unzählige Nachrichten zum Abschied bekommen, das hat mich sehr berührt. Danke an alle!
Torsten Henke (Interims-Trainer SV Curslack-Neuengamme): Das Spiel ist so losgegangen, wie wir es unbedingt vermeiden wollten: Mit einem frühen Tor für Niendorf. Normalerweise führt das in den Köpfen der Spieler dazu, dass man nicht mehr an sich glaubt und die ohnehin kaum vorhandenen Kräfte noch mehr schwinden. Natürlich kam der Platzverweis, den ich übrigens für völlig korrekt halte, uns entgegen. Da habe ich zu meinen Spielern gesagt, dass jetzt die Kräfteverhältnisse einigermaßen gleich sind. Aber unser Ligamanager Oliver Schubert meinte nein, dann muss noch einer runter. Danach war es eine komplett andere Spielsituation, die ziehen sich zurück, wir müssen das Spiel machen. Wir hatten einige gute Aktionen, direkt nach der Pause MUSS eigentlich das 1:1 fallen. Wir haben alles in die Waagschale geworfen. Ein Riesenkompliment an meine Mannschaft, was sie in den letzten Tagen abgeliefert hat. Wir hätten mindestens einen Punkt verdient gehabt.
Zum Abschied von Christian Woike: „Crille und ich kennen uns schon so lange, wir haben schon als Spieler gegeneinander gespielt und hatten auch als Trainer viele Duelle. Immer freundschaftlich. Und heute das Vergnügen, ein Spiel gemeinsam an der Linie zu coachen. Es war schon in der Kabine vor dem Spiel sehr emotional. Für uns als Verein ein Verlust".
Ali Farhadi (Trainer Niendorfer TSV): Hut ab vor Curslack, drei Spiele in fünf Tagen und dann heute so ein beherztes Spiel. Die frühe Rote Karte hat zum Bruch in unserem Spiel geführt und uns komplett durcheinander gebracht, danach ging gefühlt gar nichts mehr. Das war für mich die Schlüsselszene, einfach ein doofer Platzverweis. Es ist grenzwertig, da stehen ja noch zwei Mann von uns im Strafraum, aber gut, der Schiedsrichter hat es so gesehen, dass El-Nemr eine gute Torchance genommen wurde. Ich will mich da auch nicht mit dem Schiri anlegen, aber für mich hätte es auch dunkelgelb getan. Reichlich Potenzial haben wir bei den Kontern, wenn wir die irgendwann mal richtig ausspielen, wird’s Spaß machen. Wir hätten Curslack heute schon viel eher auf die Verliererstraße schicken können. So ist es bis zum Schluss spannend gewesen. Unterm Strich wollten wir gewinnen – und das haben wir getan. Zwar etwas holprig, aber wir wollen Vizemeister werden. Dassendorf wird nicht mehr verlieren, die sind zu gut. Wir freuen uns, dass wir ganz oben mit dabei sind.
Zum Abschied von Christian Woike: „Wir haben eine sehr lange Zeit gemeinsam beim Fußball verbracht. Er ist gefühlt unser Nachbar, er wohnt ja auch hier in Niendorf. Er ist ein cooler Typ und auch, wenn er so groß ist, war das immer auf Augenhöhe. Ich wünsche ihm alles Gute bei Hannover 96, das werde ich mir angucken, wie sich da die Marketingzahlen entwickeln (lacht)“.
Statistik: Gesamt-Punktspiel-Bilanz aus Sicht des Gastgebers (seit 1919): 32 Spiele: 13 Siege, 6 Remis, 13 Niederlagen, 53:48 Tore
Sofern nicht anders gekennzeichnet, sind alle Texte, Grafiken, Videos und Fotos Eigentum von www.hafo.de. Anderweitige Verwendung nur mit vorheriger Genehmigung.