12.08.2022 Mentalität, Emotionen, Dramatik, Tore - Fußballherz, was willst Du mehr von Andreas Killat
vs.
TuS Dassendorf – Concordia 4:2 (3:1)
TuS Dassendorf: Kalk – Kleine, Muhlack, Buchholz, Sowah – Dettmann, Aust, Doege – Strömer (68. Blohm), Maggio – Harnik (90.+5 Feldpausch) Concordia: Höcker – Appiah (46. Mundhenk), Safo-Mensah, Novotny, Schön – Atug, Hartwig (58. Düzgüner) – Yeboah (46. Metidji), Janelt, Mokhlis (89. Kröner) – Claus Tore: 1:0 Aust (4.), 1:1 Novotny (15.), 2:1 Harnik (19., FE), 3:1 Maggio (35.), 3:2 Claus (53.), 4:2 Doege (90.+3) Schiedsrichter: Lasse Holst (FC Türkiye): Hatte große Mühe mit der Partie, ließ die Zügel mit einer häufig nachteiligen Vorteilsauslegung zu lange schleifen (erste Gelbe Karte erst 46.). Für die Aktion von Muhlack gegen Claus (89.) forderten die Gäste laustark Notbremse und Rot (was ohne VAR aber nicht verifiziert werden kann). Beste Spieler: Doege, Strömer, Kleine – Claus, Höcker, Atug Zuschauer: 304
„Jetzt, wo es spannend wird, pfeift er ab“, mit trockenem Humor und einer dicken Siegerzigarre in der Hand kommentierte TuS-Sponsor Michael „Kobra“ Funk kurz nach dem Abpfiff die Partie, die das Prädikat „Spitzenspiel“ wirklich verdient hatte. Beide Teams zeigten, wozu sie in der Lage sind und wie sie die Herzen der Fans begeistern können. Einsatz, Leidenschaft, Emotionen, Offensivfußball – an diesem Sommerabend kam wirklich niemand zu kurz.
Die „Notelf“ der Hausherren (neun verletzte/gesperrte Spieler) überraschte die Gäste mit einer ebenso offensiven wie aggressiven Anfangsphase (Cordi-Coach Stefan Gehrke nannte es hinterher „Männer- gegen Jugendfußball“). Das erste Ausrufezeichen setzte Mattia Maggio, dessen 22-Meter-Hammer Keeper Johannes Höcker nur mit Mühe zur Ecke lenken konnte (3.). Doch dieser Eckball (von Maggio getreten) fand den Kopf von Amando Aust, der sich robust durchsetzte und wie einst „Air Riedle“ in der Luft stehend zum 1:0 einköpfte (4.). Was für ein Auftakt, doch Cordi „kopierte“ den Treffer und schlug eiskalt zurück: Eckball Vincent Janelt und am zweiten Pfosten darf Jan Novotny nahezu ungehindert zum 1:1-Ausgleich einschädeln (15.).
Novotny (Nr. 27) trifft zum 1:1. Foto: Hanno Bode
Zeit zum Durchatmen blieb aber nicht: Oliver Doege nimmt nach Zuspiel von Henrik Dettmann den Kontakt von Benjamin Safo-Mensah im Strafraum dankend an und geht zu Boden. Den fälligen (und vertretbaren) Elfmeter verwandelte Martin Harnik ganz sicher flach links unten (19.). Gut, dass es wegen der großen Hitze kurz danach eine Trinkpause zum „Abkühlen“ gab (23.). Allerdings steigerte sich die Intensität der Zweikämpfe und die emotionalen Ausbrüche auf beiden Seiten kontinuierlich…(insbesondere die Trainerbänke lieferten sich einige Wortgefechte).
Nach dem herausgeholten Elfmeter hätte Doege schon früh zum Matchwinner avancieren können, doch die butterweiche Hereingabe von Len Strömer bekommt „O.D.“ freistehend aus fünf Metern nicht mit dem Kopf im Tor unter (28.). „Er ist eben kein Kopfballungeheuer“, stellte TuS-Trainer Thomas Hoffmann später fest – und zitierte dabei Christian Woike (der den Weg von Doege, der einst unter ihm bei Condor und später auch in Curslack kickte, noch immer aufmerksam verfolgt). Den schönsten Treffer des Tages leitete TuS-Keeper Sebastian Kalk ein: Nach einem Cordi-Freistoß waren die Gäste weit aufgerückt, Kalk erfasste blitzschnell die Situation und schlug das Leder hinter die Mittellinie direkt in den Lauf von Strömer. Der marschierte über den linken Flügel wie einst der junge Hans-Peter Briegel, und fand - genau im richtigen Moment – mit seinem sensationellen Querpass Maggio, der nach einem kleinen Dreher um die eigene Achse zum 3:1 vollendet (35.). Ein traumhafter Konter, der sogar noch getoppt hätte werden können. Denn nach Zuckerpass von Maggio steuerte Harnik zentral und alleine auf Goalie Höcker zu. Eigentlich eine sichere Sache für den Ex-Profi, aber Höcker zeigte einmal mehr seine Klasse und hielt seine Truppe mit einer unfassbaren Glanztat im Spiel (44.).
Nach der Pause zeichneten sich dann zunehmend die konditionellen Vorteile der Gäste ab und Dassendorf geriet mächtig unter Druck (Coach Hoffmann nannte es eine „Abwehrschlacht“). Nach einer kurz ausgeführten Cordi-Ecke pennte die TuS-Defensive und Ian Prescott Claus zimmerte die Kugel aus eigentlich unmöglicher Position sehenswert zum 2:3 in die Maschen (53.): Nun zeigte Concordia, welchen Entwicklungsprozess man seit letztem Jahr durchlaufen hat. Mit spielerischem Offensivfußball (Gehrke: „Das ist mein Credo“) schnürte man den Meister in dessen Hälfte ein, doch die ganz großen Ausgleichschancen blieben zunächst aus, weil die TuS mit enormer Leidenschaft verteidigte. Und durchaus Nadelstiche setzte: Maggio erst mit einem satten Knaller aus 22 Metern (60.) und dann aus spitzem Winkel (71.) – doch er fand im Gästetorwart jeweils seinen Meister.
"Aggressiv-Leader": Mattia Maggio. Foto: Hanno Bode
Bei Temperaturen über 30 Grad „brannte“ es nun förmlich auf und neben dem Platz, beide Trainer sahen die Gelbe Karte (77.). Jedes Foul, jede Aktion wurde kommentiert und lautstark Konsequenzen gefordert – und die Dramatik steigerte sich ins Unermessliche. Cordi entfachte in den letzten 10-15 Minuten ein Offensiv-Feuerwerk, aber erst versemmelte Claus freistehend aus 11 Metern (81.), dann wollte es Hischem Metidji zu schön machen und versuchte einen (jämmerlichen) Lupfer in die Arme von Kalk (83.). Ein trockener Flachschuss hätte da ziemlich sicher das 3:3 gebracht.
Es folgte ein Zweikampf, der für viel Aufregung sorgte. Claus war schon fast an Tom Muhlack vorbei, doch der setzte von hinten zur Grätsche an und brachte den Cordi-Stürmer kurz vor der Strafraumgrenze aus dem Tritt und schließlich auch zu Fall (89.). Eine Aktion hart am Rand der „Notbremse“, doch Referee Holst entschied auf „Ball gespielt“, was die meisten neutralen Zuschauer ähnlich beurteilten. Auf Seiten der Gäste sah man das (verständlicherweise) ganz anders, doch alle Proteste (die übrigens auf dem Platz gar nicht so sonderlich intensiv ausfielen) nutzten nichts, das Spiel lief weiter (weil der Ball vom Fuß des TuS-Verteidigers deutlich sichtbar Richtung Keeper Kalk gespitzelt wurde).
In der insgesamt sechsminütigen Nachspielzeit machte Concordia hinten komplett auf – und wurde klassisch ausgekontert. Tarec Blohm erst sehenswert mit Harnik im Doppelpass, dann mit Übersicht in die Box auf den durchgestarteten Doege, der aus 12 Metern zum 4:2 vollstreckt (90.+3). Grenzenloser Jubel auf der TuS-Bank und dem Platz:
Das TuS-Team feiert das 4:2. Foto: Hanno Bode
Was für ein Spiel! Da darf man sich schon heute auf die "Wiederholung" am kommenden Dienstag freuen (3. Runde im Lotto-Pokal)!
Stimmen:
Stefan Gehrke (Trainer Concordia): Es war ein rassiges Oberligaspiel mit zwei konträren Halbzeiten. Die erste Hälfte ging aufgrund der höheren Aktivität ganz klar an Dassendorf. Zum Glück haben sie uns am Leben gelassen, das hätten wir mit unseren beiden Großchancen am Ende bestrafen können. Das 4:2 ist nicht unverdient, aber wenn wir das 3:3 machen, kann sich auch keiner beschweren. Meine junge Mannschaft hat nach der schlechten ersten Halbzeit eine gute Reaktion gezeigt, darauf lässt sich aufbauen. Ich habe in der Halbzeitpause zu meinen Jungs gesagt, dass man in den ersten 45 Minuten den Unterschied zwischen Männer- und Jungenfußball gesehen hat. Trotzdem war unsere Reaktion top. Und Dienstag im Pokal haben wir ja schon die Chance, es besser zu machen.
Thomas Hoffmann (Trainer TuS Dassendorf): Das hat mein Kollege absolut zutreffend beschrieben. Wir hatten in der ersten Halbzeit ja noch zwei weitere Großchancen. Das zweite Gegentor direkt nach der Pause – da müssen wir noch mal darüber reden, wie auch schon beim 1:1-Ausgleich. Da gab es klare Zuteilungen, das war ganz schlecht von uns verteidigt. Danach war es eine kleine Abwehrschlacht und Cordi hatte zwei dicke Dinger. Wenn da das 3:3 fällt, können wir uns nicht beschweren. Nach gut einer Stunde waren wir ziemlich platt, aber ein riesen Kompliment an die Mannschaft. Natürlich geht fußballerisch mehr, aber wie sich alle reingehauen haben – und das mit dem allerletzten Aufgebot – das war schon stark. Mentalität und Herz haben gestimmt.
Statistik: Gesamt-Punktspiel-Bilanz aus Sicht des Gastgebers (seit 1949): 19 Spiele, 15 Siege, 3 Remis, 1 Niederlage, 45:17 Tore
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