25.09.2022 Niendorf reicht ein halbes Prozent, Sasel kommt "nicht auf Zündung“ von Andreas Killat
präsentiert:
vs.
Niendorfer TSV – TSV Sasel 3:1 (0:1)
Niendorfer TSV: Grubba – Osei, Krüger, Brückner, Janha – Aniteye – Meyer, Gross, Ali (70. Casale), Ahmadi (90.+2 Agdan) – Merkle TSV Sasel: Lattke – Lucht, Timm, Ellerbrock, Grünberg – Hosseini – N. Zankl, J.-L. Gerken, Toksöz, Ghubasaryan (60. Nrecaj) – Kourkis (81. Rashed) Tore: 0:1 Toksöz (4.), 1:1 Brückner (51., FE), 2:1 Casale (77.), 3:1 Merkle (90.+1) Rote Karte: J.-L. Gerken (79., grobes Foul) Schiedsrichter: Dr. Gerrit Breetholt (GW Eimsbüttel): Mit gutem Auge für die Vorteilsregel. Die Rote Karte war zu hart, da hätte auch Gelb und eine ernste Ermahnung ausgereicht. Allerdings flog Osei bei dem Foul auch sehr spektakulär durch die Luft. Beste Spieler: Ali, Brückner – Lucht Zuschauer: 141
„Habt ihr ein bisschen Eis für uns für die Cocktails nach dem Spiel?“, dieser kleine Scherz von Sasel-Betreuer Marcus Motan eine halbe Stunde vor dem Anpfiff brachte die TSV-Stimmungslage im Prinzip gut auf den Punkt, auch wenn Motan Niendorfs Liga-Manager Carsten Wittiber selbstverständlich nur nach Eiswürfeln für den „Arztkoffer“ fragte. Die Zankl-Elf, die gar nichts von diesem „Spruch“ wusste, hatte die Partie nach der schnellen Führung durch Deran Toksöz, der einen Schuss von Kjell Ellerbrock über die Linie drückte (4.), jedenfalls fest im Griff – ließ aber im Gefühl des sicheren Sieges eine Großchance nach der anderen liegen. „Keine Ahnung, was da im Unterbewusstsein passiert. Wir waren jedenfalls viel zu schlampig“, analysierte Coach Danny Zankl nach dem Abpfiff – und konnte immer noch nicht glauben, das Spiel verloren zu haben.
Die Niendorfer „Notelf“ (es fehlten u.a. Lennard Speck, Hassan Zarei, Fynn Huneke, Ebenezer Utz, Dario Streubier, Ante Kutschke, Martin Fedai, Felix Dieterich) kannte heute lange Zeit nur ein Motto: „Tiefer, tiefer“, oder wie es Ali Farhadi formulierte: „Nicht rauslocken lassen“. Diese sehr defensive Taktik hatte zur Folge, dass Sasel gefühlt komplett alleine für die Spielgestaltung zuständig war. „Die können ruhig 90% Ballbesitz haben, das haben wir in Kauf genommen“, so Farhadi.
Entsprechend einseitig das Spielgeschehen. Kein Niendorfer Anlaufen, kein Pressing. Sasel durfte nach Belieben schalten und walten. Aber weder Nico Zankl mit einem Seitfallzieher (13.), noch Kourkis (19.) oder Toksöz (20.) nutzten ihre Chancen. „Wenn wir da das 2:0 machen, kommt von Niendorf nichts mehr“, war sich Zankl sicher.
Mitte der ersten Halbzeit traute sich dann auch der NTSV erstmals über die Mittellinie: Ibrahim „Ibo“ Ali sprintete vom Mittelkreis bis in den Strafraum, zielte dann aber knapp drüber (24.). Zwei weitere Kopfballgelegenheiten von Merkle folgten (29./34.) – doch dann war wieder der TSV am Drücker. Nach einem Ballverlust von Ammat Janha schickt Toksöz Kourkis auf die Reise, der aus 12 Metern halbrechter Position erst mit viel Pech nur den Innenpfosten trifft und dann den abprallenden Ball Grubba in die Arme schießt (35.). Was für eine Riesenchance und viel Glück für die Hausherren, die mit dem 0:1 zur Pause wirklich gut bedient waren. „Wir sind Scheiße, die machen ja, was sie wollen“, brachte es Farhadi auf den Punkt: „Ich musste in der Kabine gar nicht viel sagen, die Jungs wussten selber, dass das zu wenig war“.
Also nahm „Ibo“ Ali erneut sein Herz in beide Hände und startete sein zweites sensationelles Solo des Tages. Mit Power und Speed stürmte er bis in den Strafraum, legte sich das Leder allerdings zu weit vor. Keeper Anton Lattke hätte den Ball also eigentlich nur ins Aus laufen lassen müssen, entschied sich jedoch für eine Grätsche in die Beine des Niendorfer Angreifers. Klare Sache (und keinerlei Proteste): Elfmeter! Daniel Brückner schnappte sich die Kugel und verwandelte ganz sicher flach unten links zum 1:1 (51.).
Der TSV schien jedoch zunächst keineswegs geschockt, wollte mit einem Sieg unbedingt zurück an die Tabellenspitze. Maximilian Grünberg lieferte fast postwendend nach dem Ausgleich die perfekte Vorlage für Nico Zankl, aber der scheitert freistehend aus 12 Metern an Keeper Grubba (52.). Die nächste dicke Chance bot sich Toksöz, der unbehelligt von der Strafraumgrenze abzog und krachend die Latte traf (65.). Es folgte, was schon Generationen von Trainern und Reportern zitierten: Wer vorne seine Dinger nicht macht…
Amir Ahmadi (von Farhadi liebevoll „mein kleiner Amirovic“ genannt) zirkelte fast von der linken Eckfahne eine Bogenlampe durch den Fünfmeterraum, Keeper Lattke segelte unter dem Ball hindurch und der erst kurz zuvor eingewechselte Leandro Casale köpfte am zweiten Pfosten aus einem Meter Entfernung zum 2:1 ins Niendorfer Glück (77.). Spiel gedreht, Spielverlauf auf den Kopf gestellt. „So geht das“, jubelte Taktik-Fuchs Farhadi, der sich seine (siegbringende) Strategie ganz genau überlegt hatte. Für Sasel kam es sogar noch dicker: Jean-Lucas Gerken säbelte den mit viel Tempo durchgestarteten Jesse Osei um (der selbst mehrfach am Rande eines Platzverweises wandelte). Der flog spektakulär durch die Luft – und Referee Dr. Gerrit Breetholt zog glatt „Rot“ (79.). Eine zu harte Entscheidung für viele Anwesende (inkl. NTSV-Manager Marcus Scholz), doch aufgrund der Dynamik, die in der Szene steckte, zumindest nachvollziehbar.
Ein gebrauchter Tag für die Gäste, die in der Nachspielzeit nach einem Konter auch noch das 1:3 kassierten: Casale zieht mit Überschallgeschwindigkeit an Marc-Oliver Timm vorbei, seinen halbherzigen Versuch kann Lattke noch abwehren, aber der Abpraller fällt Merkle vor die Füße, der ins leere Gehäuse zum 3:1 vollendet (90.+1). Damit verpasste der TSV den Sprung an die Tabellenspitze, während die Konkurrenten (ETV, Paloma, Niendorf) an diesem Wochenende dreifach punkteten.
Stimmen:
Danny Zankl (Trainer TSV Sasel): Hier darfst Du heute niemals verlieren. Wir waren zwar nicht gut, aber 70% haben gereicht, um gefühlt 100 Torchancen herauszuspielen. Aber wenn man nicht auf Zündung ist, dann vergibt man eben solche klaren Dinger. Wir müssen das Ergebnis schon zur Halbzeit viel deutlicher gestalten, sind aber zu schlampig gewesen. Niendorf hat nichts fürs Spiel gemacht, immer nur „tiefer, tiefer“. Wenn wir da das 2:0 machen, dann kommt von denen nichts mehr. Aber dann haben wir sie nochmal schön ins Spiel zurückgeholt, das haben wir wirklich gut hingekriegt… Bei uns waren heute einige Spieler auf dem Platz, die nicht mit 100% bei der Sache waren. So spielt eine Durchschnittsmannschaft. Wir sind leider immer noch sehr anfällig und labil, uns fehlt jemand mit mehr Präsenz auf dem Platz. Wir haben hier alles im Griff, der Matchplan geht locker auf, wir führen 1:0, haben viele Chancen, vom Gegner kommt nichts – und am Ende haben wir drei Punkte für Niendorf gemacht. Mit Schleife dran.
Ali Farhadi (Trainer Niendorfer TSV): Wir wussten vorher, dass wir mit diesem Kader heute spielerisch nicht mit Sasel mithalten können. Das muss man sich ehrlich eingestehen. Aber manchmal sind halbe Schritte zurück (mit der sehr defensiven Taktik) die Grundlage für einen großen Schritt nach vorne. Die Jungs haben das mit der nötigen Portion Geduld, für mich übrigens mit die wichtigste Tugend im Fußball, richtig gut gemacht. So kannst Du solche Spiele gewinnen. Eine Monsterleistung! Sasel hat uns ein paar Momente gegeben, damit hätte ich vorher nicht gerechnet. Unsere (notgedrungenen) Umstellungen mit Aniteye auf der Sechs und Brückner in der Innenverteidigung haben funktioniert – und am Ende kommt ein hochverdienter Sieg heraus. Die erste Halbzeit war allerdings schlecht, da haben wir zu wenig gemacht. Sasel hatte 90% Ballbesitz, können die auch haben. Von mir aus auch 99,5%, manchmal langt ein halbes Prozent (lacht).
Statistik: Gesamt-Punktspiel-Bilanz aus Sicht des Gastgebers (seit 1945): 40 Spiele, 21 Siege, 8 Remis, 11 Niederlagen, 84:64 Tore
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