03.10.2023 Pokal: Eilbek löst die Handbremse - Niendorf schämt sich von Andreas Killat
Lotto-Pokal, 4. Runde
vs.
SC Eilbek – Niendorfer TSV 5:2 (2:1)
SC Eilbek: Krysiak – Edinger, Sackmann, Kober, Sultani (61. Jablonka) – Scharnhorst, Jantzer – Müller, Bandahl, Meier (71. Caliskan) – Briones (78. Tuzcu) Niendorfer TSV: Melzer – Janha, Kassimou (71. Aniteye), Huneke, Wemakor – Speck (46. Gross) – Neumann, Espinoza (46. Saric), Katanga, Ali (46. Streubier) – Kutschke (46. Li. Meyer) Tore: 0:1 Kutschke (15.), 1:1 Meier (30.), 2:1 Meier (44.), 3:1 Briones (46., FE), 4:1 Briones (64.), 4:2 Saric (81.), 5:2 Tuzcu (90., FE) Schiedsrichter: Gerhard Ludolph (Hoisbütteler SV): Viele kuriose Entscheidungen. Den ersten Elfmeter (46.) pfeift nicht jeder, aber wenn er ihn pfeift, muss er auch Gelb zeigen. Beim zweiten Strafstoß (90.) wäre eigentlich glatt Rot fällig gewesen. Zeigte sechs Minuten Nachspielzeit an, pfiff aber nach 93 Minuten ab. Beste Spieler: Krysiak, Bandahl, Meier, Jantzer, Briones – Neumann, Speck (1.Hz) Zuschauer: 94
„Heute schäme ich mich, Trainer dieser Mannschaft zu sein“, wählte ein sichtlich schockierter NTSV-Coach Ali Farhadi äußerst drastische Worte nach dem Abpfiff. „Das war arrogant, pomadig, grausam und überheblich“.
Dabei war es zu Beginn ein Spiel auf ein Tor, die Hausherren kamen gefühlt nicht einmal über die Mittellinie. Niendorf hatte die totale Dominanz und Chancen im Minutentakt: Erst Leon Neumann aus 18 Metern knapp vorbei (3.), dann scheitert zweimal Ante Kutschke am glänzend reagierenden SCE-Keeper Patrick Krysiak (7./11.). Im dritten Versuch schließlich die überfällige Führung. Nach einer schönen Kombination über Speck und Janha landet die Kugel erneut bei Kutschke, der diesmal cool bleibt und aus neun Metern zum 0:1 trifft (15.). Einen Freistoß von Speck von der rechten Außenlinie kratzt Krysiak mit Mühe aus dem kurzen Eck (18.) und wehrt kurz danach auch einen Neumann-Kracher ab (22.). „Hier brennt für Niendorf nichts an“, so der allgemeine Tenor unter den Zuschauern. Doch SCE-Ligamanager Ingo Desombre war etwas aufgefallen: „Die haben nach dem Tor gar nicht richtig gejubelt, haben das leicht überheblich als Selbstverständlichkeit abgetan. Das hat uns angestachelt“.
Tatsächlich wirkten die Niendorfer viel zu siegessicher und verpassten in ihrer Drangphase das zweite und dritte Tor nachzulegen. Stattdessen kam es wie so häufig im Fußball: Beim wirklich allerersten Angriff machte der Underdog den Ausgleich! Tim Bandahl hat im Zentrum ganz viel Zeit und Platz und spielt den perfekten Flachpass genau in den Lauf von Jan-Philip Meier. Der Ex-Niendorfer bleibt zunächst an Janha hängen, spitzelt den „zweiten Ball“ dann aber aus 12 Metern halblinks gekonnt zum 1:1 ins lange Eck (30.). Noch mehr aus dem berühmten „Nichts“ geht wirklich nicht.
„Danach haben meine Jungs die Handbremse endgültig gelöst und gezeigt, was in ihnen steckt“, strahlte ein glückseliger Eilbek-Coach Kerem Yildirim, während bei Niendorf von jetzt auf gleich der Stecker gezogen zu sein schien. Nach einem Freistoß von Bandahl zielte Sören Jantzer noch haarscharf am langen Pfosten vorbei (33.). Aber kurz vor der Pause machte es der Eilbeker Dribbelkönig besser: Mit seinem Sololauf (nach toller Hackenvorlage von Briones) durch die halbe NTSV-Abwehr zog Jantzer die gesamte Aufmerksamkeit auf sich – und passte dann genau im richtigen Moment auf den völlig alleingelassenen Meier. Der schnürte aus sechs Metern den „Doppelpack“ zum 2:1 (44.). Das ist Pokal, so ist Fußball!
Die lautstarke Kabinenpredigt von Farhadi in der Halbzeitpause war bis an die Wandsbeker Chaussee zu hören. Gleich vier (!) Wechsel nahm der Dienstälteste Oberliga-Trainer vor – doch „es wurde eigentlich nur noch schlimmer“, so Farhadi selbstkritisch. Sein Keeper Rene Melzer hatte sich – gut hörbar – auf dem Weg in die Pause beklagt: „Die Abwehr spielt wie ein Haufen unerfahrener A-Jugendlicher“. Und genau so ging es auch direkt weiter. Keine zehn Sekunden nach dem Wiederanpfiff hebelt ein langer Ball in die Spitze den gesamten NTSV-„Abwehr“verbund aus, Meier steht völlig frei an der Strafraumgrenze und wird von Melzer abgeräumt. Kein ganz glasklarer Elfmeter, da Meier noch zum Abschluss gekommen war (rechts am Pfosten vorbei), doch völlig falsch war die Entscheidung letztlich auch nicht. Nino Briones donnerte die Kugel mittig zum 3:1 in die Maschen (46.).
Jetzt war Stimmung am Eilbeker Bunker! Um jeden Ball wurde gefightet, das gesamte Team lief sich die Lunge aus dem Hals – während Niendorf weiter in Lethargie verharrte. Falk Gross in einem Anfall von Schläfrigkeit mit einem viel zu kurzen Rückpass aus dem Mittelfeld genau in den Lauf von Briones. Der umkurvt kurz vor dem Strafraum noch Huneke und trifft aus 15 Metern zum 4:1 (64.). Wahnsinn!
„Jungs, jetzt auch mal Tempo rausnehmen“, musste Yildirim seine Kicker danach fast schon bremsen. So viel Leidenschaft auf der einen Seite und so wenig Aufbäumen auf der anderen! Zwar kam der NTSV nach toller Vorlage von Neumann noch zum 2:4-„Ehrentreffer“ durch Marijo Saric (81.), doch die Messe war hier längst gelesen. Zum großen Finale zauberte nochmal der Bezirksligist: Wieder schüttelt Bandahl einen seiner Zuckerbälle aus dem Fuß, Kerem Caliskan startet durch – und wird in der Box von Noha Katanga abgeräumt. Diesmal keine Zweifel: Wieder Elfmeter! Enes Tuzcu verwandelt ganz sicher zum 5:2-Endstand (90.).
Die Eilbeker, nur 1985/86 mal eine Saison in der Verbandsliga vertreten (ansonsten immer unterklassig), stehen damit sensationell im Achtelfinale, während beim NTSV garantiert noch Redebedarf besteht (Farhadi: „Ich weiß noch nicht, wie ich damit umgehen soll“).
Stimmen:
Ali Farhadi (Trainer Niendorfer TSV): Heute schäme ich mich, Trainer dieser Mannschaft zu sein. Das war brutal, so arrogant und so pomadig – das sind wir eigentlich nicht. Nichts gegen Eilbek, das ist eine gute Bezirksligatruppe. Aber die kommen in der ersten Halbzeit zweimal nach vorne und beide sind drin. Es war einfach nur grausam von uns. Jeder war nur für sich unterwegs, nicht wir als Mannschaft. So haben wir hier verdient auf die Fresse bekommen. Wir spielen eine halbe Stunde auf ein Tor, dann sind wir in Arroganz und Überheblichkeit verfallen. Das ist echt hart und ich weiß selber noch nicht, wie ich damit umgehen soll. Ich bin echt schockiert. Am Ende ist ja immer der Trainer verantwortlich und anscheinend habe ich heute die falschen Entscheidungen getroffen.
Kerem Yildirim (Trainer SC Eilbek): Die erste halbe Stunde hatten meine Jungs viel zu viel Respekt. Wir waren überhaupt nicht wach, alle haben mit angezogener Handbremse gespielt. Und dann kommt das 1:1 aus dem Nichts – danach hat man gemerkt, was in der Truppe steckt. Man hat keinen Zweiklassen-Unterschied mehr gesehen und wir haben die Partie noch vor der Pause gedreht. Die Mannschaft hat eine geile Leistung abgeliefert. Den Elfmeter nach 10 Sekunden in der zweiten Hälfte muss man nicht unbedingt pfeifen, da bin ich ganz ehrlich. Glück für uns. Unglaublich, was wir danach auf dem Platz abgeliefert haben. Ich bin natürlich sehr sehr glücklich. Ein absolut verdienter Sieg.
Statistik: Gesamt-Punkt-/Pokalspielstatistik zwischen beiden Teams aus Sicht des Gastgebers (seit 1945): 11 Spiele: 3 Siege, 2 Remis, 6 Niederlagen, 13:23 Tore
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