Welch eine dramatische Schlussphase in einer Begegnung, die zumindest aus neutraler Beobachter-Position alles enthielt, was ein hochklassiges Fußballspiel ausmacht. Die Lokalrivalen schenkten sich nichts, kämpften über 90 Minuten mit harten Bandagen und mitunter am Rande der Legalität.
Schon der Auftakt gestaltete sich verheißungsvoll, als in der ersten Spielminute zunächst Ralf Palapies für die Gastgeber ein Abseitstor erzielte, ehe im Gegenzug VfL-Stürmer Frank Rückert am Wedeler Schlussmann scheiterte. Der hieß an diesem Nachmittag Tim Karkowski, seines Zeichens Schlussmann der A-Jugend und für den am Oberschenkel verletzten Sven Thiele eingesprungen. „Er hat seine Sache super gemacht“, lobte Michael Fischer den 18-Jährigen. Am anderen Ende des Platzes, nämlich vor dem Kasten der Pinneberger, klappte es ähnlich gut, das frühe Resultat der Wedeler Bemühungen: Das 1:0 durch den pfeilschnellen und wie immer emsigen Ugur Alavanda. In der Folgezeit ging es derart munter weiter, Robert Bankowski (4., 26.) sowie Frank Rückert (45.) hätten den Ausgleich oder gar die Führung für die Bliemeister-Elf herausschießen können. Dass sich der TSV zudem ab der 37. Minute nunmehr lediglich zu Zehnt den Angriffen des VfL erwehren konnte, lag darin begründet, dass Martin Protzek vom Platz geflogen war. Zwei Verwarnungen innerhalb von nicht einmal 60 Sekunden, beide zudem wegen Meckerns, Michael Fischer kochte zurecht ob der Dummheit seines routinierten Angreifers.
Pinneberg übernahm mit fortlaufender Zeit deutlich die Regie, drängte die personell dezimierten Hausherren zusehends in die Defensive, ohne allerdings zunächst diese offensichtlichen Feldvorteile in Zählbares umzuwandeln. Über eine Stunde war bereits absolviert, als Bankowski in seinem mittlerweile vierten Anlauf nach feinem Zuspiel durch Nevzet Arifi zum 1:1 einnetzte. Doch Wedels Moral ging trotz Unterzahl keineswegs den Bach herunter. Massiv in der Deckung, mit kämpferischer Einstellung und im Vorwärtsgang meist über den flinken Alavanda, der nach einer Stunde Unterstützung durch den bald-Pinneberger Tugay Bayram erhielt, versuchte man, den überlegenen VfL durch Konter mürbe zu machen. Als schließlich Bayram, ausgerechnet Bayram werden viele denken, das 2:1 zu Gunsten des TSV Wedel herstellte, schien der Drops gelutscht, schließlich zeigte die Uhr bereits die 87. Minute an. Doch spätestens seit jenem ominösen Fußball-Abend von Barcelona 1999, dürfte bekannt sein, dass selbst in kürzester Zeit (fast) jede Partie zu gewinnen ist. Ob sich die Bliemeister-Jungs daran erinnert fühlten, als Rückert eine Uhrumdrehung vor Ablauf der regulären Spieldauer das Ergebnis auf Remis korrigierte? Damit nicht genug. Es lief schon der „Nachschlag“, da langte der VfL erneut hin. Dass dem finalen Bankowski-Treffer eine vermeintliche Abseitsstellung voraus gegangen war, hätte dem Wedeler Anhang schon allein als Aufreger genügt. Zu allem Überfluss hatte Referee Christian Rüsch im vorangegangenen Angriff der Gastgeber ein elfmeterwürdiges Vergehen an Alavanda nicht erkannt und somit Pinnebergs Gegenzug erst möglich gemacht. „Rudelbildung“ in Reinkultur um Schiri Rüsch und seinen Assistenten war die Folge, ebenso wie die zweite Ampelkarte des Tages gegen Ralf Palapies. Alles vergebens. Rüsch nahm seine Entscheidung, durch die sich Wedels Akteure verschaukelt fühlten, natürlich nicht zurück. Bitter für den TSV, aber im selben Maße erfreulich für die Anhängerschar des VfL Pinneberg, die eine derartige, nur knapp dreiminütige, aber umso erfolgreichere Aufholjagd wohl nicht mehr für möglich gehalten hatten.
Stimmen:
Michael Fischer (Trainer Wedeler TSV): Es ist schwer, das Spiel in Worte zu fassen. Was hier heute passiert ist, ist kaum zu glauben. Für unsere Mannschaft ist das Ergebnis natürlich ganz bitter. Wir spielen so lange in Unterzahl, machen dann das kaum noch für möglich gehaltene 2:1. Was dann kam, ist verdammt hart. Ich kann nicht sagen, ob der Schiedsrichter uns verpfiffen hat. Beim 3:2 hat er nicht gepfiffen, deshalb war es kein Abseits.
Thomas Bliemeister (Trainer VfL Pinneberg): Es war das erwartete Derby mit Spannung, Dramatik und Einsatz. Für uns ist der Ausgang sicherlich glücklich, Wedel hätte auch ein Unentschieden verdient gehabt. Wir planen für die Verbandsliga. Wir müssen der Realität ins Auge blicken, wir haben unser Saisonziel nicht erreicht, denn von der Qualifikation für die Oberliga sind wir weit weg.
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