Da stand er nun. Mit weißer Sport-Jacke und verschränkten Armen beobachtete Holger Zippel das Spiel seiner neuen Mannschaft, dem VfL 93 Hamburg. Alle Namen waren ihm nicht sofort präsent. „Wie heißt er noch mit dem Vornamen? Die 11?“, fragte Zippel hektisch. Gemeint war Martin Marcinkiewicz. Er wurde zwei Minuten vor dem Ende ausgewechselt und musste zwei Meter später an Zippel vorbei. Ohne Körperberührung ging es nicht. „Mein Jung, das war gut. Bist du zufrieden mit Dir?“, fragte ihn Zippel und hielt ihn fest. Verdutzt und ein bisschen müde nickte Marcinkiewicz kurz und verzog sich auf die Bank. Es war wohl sein härtester Zweikampf an diesem Nachmittag.
Im Spiel waren die Fronten schon nach neun Minuten geklärt. Koch hatte mit einem Doppelpack die Ära Zippel beim VfL eingeläutet. Wahrlich gibt es schlimmere Anfangsphasen für einen neuen Trainer und so konnte Zippel beruhigt dem Geschehen folgen, sodass auch mal ein kurzer Schwatz mit St. Paulis Torwart-Legende Klaus Thomforde über 20 Meter möglich war. Niendorf war nie wirklich ein Faktor in dieser Begegnung. Was vor allem an Torwart Tholen lag. Er patzte beim ersten Tor und auch das dritte ging auf seine Kappe. Und dies entschied endgültig die Partie. Niendorf hatte sich nach dem frühen Schock etwas gefangen und konnte auch ein bis zwei kleinere Offensivaktionen vorzeigen. Und dann ließ eben Tholen einen Fernschuss von Marcinkiewicz durch, den kein Torwart eigentlich durchlassen sollte. Mit einem 0:2-Rückstand wäre eventuell noch etwas möglich gewesen. Niendorf wäre nicht die erste Mannschaft gewesen, die solch einen Rückstand aufgeholt hätte. Doch drei Tore waren zuviel.
In der zweiten Halbzeit konnte sich Tholen ein wenig rehabilitieren. Dadurch wurde er zwangsläufig zur tragisch komischen Figur. Er war am Ende doppelt verantwortlich, dass der VfL fünf Tore erzielen konnte. Durch seine Aussetzer stellte er im ersten Durchgang die Weichen auf Auswärtssieg, im zweiten Abschnitt waren es seine Paraden, die eine zweistellige Niederlage verhinderten. Gegen die Gegentreffer von Reiher und Maxhuni war kein Kraut gewachsen, gegen mindestens sechs Großchancen waren es die Fähigkeiten Tholens gewesen, die 93er Torjubel verhinderten. Einen Lattenschuss von Maxhuni ist in dieser Statistik noch nicht mal vermerkt. Es wurde insgesamt ein Scheibenschießen, da sich auch Niendorf nur noch auf die Offensive konzentrierte. Wenn schon hinten nichts klappt, dann jedenfalls vorne. Doch die vielen Fehler im Aufbau und das katastrophale Zweikampfverhalten an diesem Nachmittag waren einem Verbandsligisten eigentlich nicht würdig. Aber solche Spiele gibt es halt während einer Saison.
Die schönste Szene der zweiten Halbzeit durfte nach dem 5:1 bestaunt werden. Maxhuni bejubelte seinen Treffer, der gesamte Frust der Saison platzte heraus. Er lief schnurstracks zu seinem Freund und Trainer Zippel und hob ihn gen Himmel. Ob es die Wende in dieser Saison war? Es bleibt abzuwarten. Mit Maik Jekabsons hat sich ein wichtiger Verteidiger abgemeldet und zog daher die Konsequenzen aus den Querelen der letzten Woche. Jekabsons wird mit dem Oberligisten BU in Verbindung gebracht. „Wir müssen jetzt einfach nur mal vernünftigen Fußball spielen. Der gesamte Kram im Umfeld ist uns momentan egal. Wir müssen uns mehr und mehr einspielen und eine Serie starten“, gab Doppel-Torschütze Koch die Devise für die kommenden Wochen vor. Wenn es so einfach ist? Übrigens: Manager Jürgen Domzalski und auch Ex-Trainer Rainer Wasielke wurden nicht auf der Anlage gesichtet. Domzalski zieht sich für zwei oder drei Wochen zurück, Wasielkes Zukunft beim VfL klärt sich diese Woche. Die Tendenz geht wohl zu einer Trennung. Fortsetzung folgt…
Stimmen:
Holger Zippel (Trainer VfL 93): Es war ein gelungener Einstand. Wir müssen halt mehr und mehr zu einer Mannschaft werden. Darauf zielten auch die Einzelgespräche am letzten Freitag hin. Heute lief alles für uns, doch man muss auch sehen, dass wir in den entscheidenden Situationen auch die gewisse Portion Glück hatten. Jeder Spieler war heute hochmotiviert. Das ist nun mal so, wenn ein neuer Trainer kommt. Da will jeder zeigen, was er kann.
Heino Stemmann (Trainer Niendorfer TSV): Es war der falsche Gegner zum falschen Zeitpunkt. Solche Tage gibt es halt. Da müssen wir zusammen durch. Ich habe die Mannschaft so auf- und eingestellt, da nehme ich mich nicht aus der Verantwortung heraus.
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